Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
Vom Netzwerk:
sagte Gueran, der ganze sechs Filets verspeist hatte, und stimmte mit einem zufriedenen Rülpser in das gedämpfte Rumpeln ein.
    Ich saß ihm am nächsten, während sich die anderen auf die beiden Streben verteilt hatten, die das Boot im Abstand von einem Meter stabilisierten und zugleich eine Sitzgelegenheit boten. Zwischen uns schwebte eine Frage, die bald vom Wind zerfetzt wurde. Ich sprach sie aus. »Sie sind älter als der Ring, oder?«
    Gueran rülpste noch einmal, aber diesmal weniger formvollendet, eher erzwungen und abgehackt. »Ja. Und?«
    »Nichts. Nur … Dann haben Sie die Zeit vor, während und nach der Community erlebt. Da hat sich einiges getan.«
    »Und?«
    »Wie war das für Sie?«
    Er winkte ab. Ich sah ihn erwartungsvoll an, bis ich schließlich die Schultern zuckte. Er will nicht darüber reden.
    So blieb uns nichts anderes übrig, als uns abwechselnd in den feuchten Rumpf zu legen und zu schlafen, während die anderen auf den schwarzen Amazonas starrten.
     
    Nachts fuhren wir, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang schliefen wir am Ufer von überwucherten Nebenflüssen. Als wir zwei Aircars surren hörten, versteckte ich mich zwischen den Blättern und sah zu, wie unsere Verfolger über den Amazonas zischten. Später schickte ich Quant die Typenbezeichnungen, und sie meinte, laut den ersten drei Ziffern handele es sich tatsächlich um Aircars des Overgovernment. Mittlerweile durchkämmten mindestens drei Suchtrupps das Amazonasgebiet.
    Vielleicht sollten wir einfach aufgeben, sandte ich, nachdem wir ins Lager zurückgekehrt waren, und fügte ein Bild hinzu: unsere Betten in der Farm, eine warme Dusche.
    Meda schüttelte den Kopf. Aufgeben und ins Exil gehen? Die Podgesellschaft verlassen?
    Wir sind schon im Exil, meinte Moira. Zumindest mehr oder weniger.
    Wie meinst du das?
    Wenigstens sind wir frei.
    Ich war wütend – auf mich selbst, weil ich mit der leidigen Diskussion angefangen hatte, auf die Regierung, weil sie uns jagte, auf uns, weil wir uns im Dschungel verstecken mussten und nur bei Dunkelheit weiterkonnten. Es war erbärmlich. Frustriert setzte ich mich neben Gueran, der auf einem Baumstamm hockte und in eine frisch gepflückte Mango biss. »Sie sind kein Freund des OG, oder?«
    Gueran blickte mich aus einem rot unterlaufenen Auge an. »Nein. Auch kein Freund von Pods.«
    »Warum nicht? Sie haben eine Stimme im OG. Die Enklaven dürfen mitreden.«
    »Ha.«
    »Wirklich. Die Bevölkerung soll sich sogar unbedingt an der Regierung beteiligen.«
    »Ihr seid zu fünft und habt trotzdem keine Ahnung. Wie viel Gehirne habt ihr denn? Drei? Vier?« Er schlang den Rest der Mango herunter. »Ihr eine Person, oder? Und ich eine Person. Aber eure Stimme zählt fünfmal, meine einmal.«
    »Wir verbrauchen ja auch das Fünffache an Ressourcen. Natürlich wiegt unsere Stimme schwerer.«
    »So denkt ihr. Aber Pods stimmen immer alle gleich ab, und Enklavenleute sind angeschmiert. Die Arschkriecher stimmen mit Pods, die Maschinenstürmer stimmen gar nicht, und die Christers stimmen für sich selbst. Am Ende ist es egal, was wir sagen. Euer Og ist wie Community. Dieselbe Scheiße.«
    »Nein. Wir sind anders, ganz anders.«
    »Denkst du. Ich nicht. Community hätte auch nur eine Stimme haben sollen. Hatte aber Milliarden, und alle haben gleich gestimmt. Und das ist gerecht?« Er kratzte sich am tätowierten Arm. »Im Dorf kümmert sich keiner um Rest der Welt. Uns doch egal, wer da regiert. Macht keinen Unterschied. Okay, vielleicht ein bisschen besser jetzt als früher. Wenigstens kommt keiner mehr mit Aufzug runter. Außer euch.« Er blickte sich um, vielleicht auf der Suche nach einer weiteren Mango, als er mir plötzlich in die Augen sah. »Ich hab über Frage nachgedacht.«
    »Wie es früher war?«
    »Ja.« Er hob einen Stock auf und stocherte damit im Feuer herum, Funken stoben in die Luft und verscheuchten die Fledermäuse. »Mein Bruder hat bei Community mitgemacht. Hat Test gemacht und ist nicht zurückgekommen. Lange Zeit nicht zurückgekommen. Und jetzt? Wo ist Bruder jetzt? Habt ihr ihn gesehen, da oben?«
    »Nein. Da oben ist niemand.«
    »Nur einmal zurückgekommen. In schönen schwarzen Community-Klamotten, mit teuren Stiefeln. Bestimmt so teuer wie ein Schwein. Hatte sich Kopf rasiert, aber Tattoos aus Bacabal hatte er noch, genau wie ich. Und er hatte Loch im Kopf, genau wie die da.« Er deutete auf Meda, die sich sofort ans Genick fasste. Sie hatte die ganze Zeit zugehört, und ich

Weitere Kostenlose Bücher