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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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Handtücher faltete, bis der Stapel bis hoch unter die Decke des Waschraums reichte. Wahrscheinlich nahm sie an, Manuel und Corrine seien so in ihr Spiel vertieft, dass sie nicht lauschten. Aber Manuel war immer auf Empfang, und er teilte alles mit Corrine.
    »Und?«, erwiderte Matron Isitharp. »Ist doch in Ordnung. Ich bin selbst ein Duo, und du … Moment, eins, zwei … du übrigens auch.«
    »Sicher, aber Dr. Yoder setzt doch so große Hoffnungen in die beiden. Wirklich sehr große Hoffnungen.«
    »Die meisten Zwillingspaare entwickeln sich zu Duos. Das ist doch bekannt.«
    »Sicher. Aber die beiden sind was Besonderes. Guck dir doch mal ihre Füße an. Außerdem, warum sollte Dr. Yoder sonst ständig nach ihnen schauen?« Als sie das nächste Handtuch beiseitelegte, bemerkte Matron Reddinger Manuels durchdringenden Blick. Sie lächelte ihn an. »Na, ihr beiden, schon wieder zu zweit? Warum geht ihr nicht mal bei diesen netten Jungs schlafen? Bei Sensen, Joel und Franklin? Die sind doch wirklich nett! Und in ihrem Zimmer ist bestimmt noch Platz.«
    Franklin stinkt, hörte Manuel Corrines Stimme in seinem Kopf und musste lachen. »Corrine sagt, dass Franklin stinkt.«
    Die beiden Erzieherinnen blickten sich an, und Matron Reddinger räusperte sich. »Ich fürchte, das müssen wir Dr. Yoder sagen.«
    Was musste sie Dr. Yoder sagen? Dass Franklin stank? Als ob das nicht jeder wüsste! Corrine grinste ihn an und kicherte, Manuel kicherte zurück.
    Kurze Zeit später kam Dr. Yoder und stellte ihnen eine Menge Fragen. Meistens begutachtete er nur ihre Nasen, Hälse und Handgelenke und überprüfte, ob sie auch brav ihre Zehenübungen gemacht hatten – die Zehen strecken, Bälle aufheben, eine Stunde lang kopfüber von einer Stange hängen und so weiter. Aber diesmal wollte er ein merkwürdiges Spiel spielen.
    Manuel und Corrine mussten sich nebeneinander hinsetzen und Händchen halten. Dann stellte Dr. Yoder einen Vorhang zwischen ihnen auf, zeigte Corrine ein paar Bilder und fragte Manuel darüber aus. Meistens klappte es ganz gut, auch als sie das Spiel andersherum wiederholten.
    »Das habt ihr hervorragend gemacht«, sagte Dr. Yoder hinterher und gab jedem einen Lutscher. »Ich bin sehr, sehr stolz auf euch. Ich wünschte nur, ihr …«
    »Was, Dr. Yoder?«, fragte Manuel in der Hoffnung, einen zweiten Lutscher zu ergattern, wenn er schlaue Fragen stellte.
    »Ich wünschte nur, ihr würdet mehr mit den anderen Kindern spielen.«
    Corrine runzelte die Stirn. Sofort griff ihr Ärger auf Manuel über, und auch er zog die Augenbrauen zusammen. »Die Kinder hier sind alle blöd«, sagte sie. »Die wollen gar nicht mit uns spielen.«
    Und das war nicht gelogen. Ihre Kameraden teilten sich immer in dieselben Grüppchen auf, drei, vier, manchmal auch fünf Jungen und Mädchen. Niemand schien besonders große Lust zu haben, mit Manuel und Corrine zu spielen. Aber das hatten sie auch gar nicht nötig, sie hatten auch zu zweit viel Spaß.
    Dr. Yoder schüttelte den Kopf. »Es ist sehr wichtig, dass ihr Freunde findet. Am besten gleich drei auf einmal.«
    »Warum?«, fragte Corrine.
    Der von Dr. Yoder, der immer mit ihnen sprach, lehnte sich zurück und reichte den anderen die Hände. Nach einer Weile beugte er sich wieder vor. »Wisst ihr, wo die Kinder nach dem Ersten Stadium hinkommen?«
    Manuel erinnerte sich an die aufgeregten Unterhaltungen der älteren Kinder. »Ins Zweite Stadium«, erwiderte er, stolz auf sein Wissen.
    »Genau, ins Zweite Stadium. Und wenn ihr ins Zweite Stadium wollt, müsst ihr erst ein paar Freunde finden.«
    »Aber Corrine und ich könnten doch zusammen …«
    »Natürlich! Aber es wäre noch viel besser, wenn ihr zu fünft wärt.«
    Corrine verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf.
    »Na gut«, seufzte Dr. Yoder. »Na gut.«
    Eine Woche später kehrte er zurück, um ihnen zu sagen, dass sie in eine andere Krippe umziehen würden. Noch am selben Tag sollten sie von Gorton nach Blue Haven wechseln.
    In Gorton hatten sie zwar keine Freunde gefunden, aber es war das einzige Zuhause, das sie kannten. Beim Abschied klammerten sie sich heulend an Matron Reddinger und Matron Isitharp, ja sogar an alle drei Versionen von Matron Ulysses, selbst an die große, dürre, die immer wegschaute und nie mit ihnen sprach. Am Schluss umarmten sie auch noch den Hausmeisterroboter, den die Kinder Onkel Million getauft hatten.
    Die Krippe von Blue Haven war viel größer als die von Gorton, es gab sogar einen

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