Der Ripper - Roman
fiel zu Boden. Jemand setzte sich aufs Bett. Ein Streichholz flammte zischend auf. In dem
orangefarbenen, flackernden Schein traten zwei Männerstiefel in mein eingeschränktes Blickfeld. Die Frau bückte sich vor dem Kaminrost. Sie wandte mir den Rücken zu.
Als das Feuer brannte, richtete sie sich auf und drehte sich um.
»Gleich haben wir es schön warm«, sagte sie.
»Ich habe nicht viel Zeit«, erwiderte der Mann.
Das war eine willkommene Neuigkeit.
»Dann müssen wir uns eben beeilen, nicht wahr?«
Mary fing an, sich ihrer Kleidung zu entledigen. Währenddessen zog der Mann die Stiefel aus. Dann zog er die Beine hoch.
Von meinem Versteck aus konnte ich nicht höher als bis zu Marys Knien sehen. Sie stand barfuß auf ihrem Mantel, und um sie herum flatterten Kleidungsstücke zu Boden. Der Feuerschein verlieh ihren Beinen einen rötlichen Glanz. So verängstigt ich auch war, reizte es mich doch ungemein, näher an den Bettrand zu rutschen, um einen besseren Blick auf Mary erhaschen zu können. Ich war neugierig, aber in der Hauptsache verspürte ich die gleichen Gefühle wie bei Sue - bevor sie mich geschlagen hatte.
Mary legte sich aufs Bett.
Die alten Latten quietschten und drückten gegen meinen Rücken. Kurz darauf erbebte das ganze Gestell. Bei den Geräuschen, die Mary und der Kerl von sich gaben, konnte man den Eindruck gewinnen, sie würden von Krämpfen geschüttelt. Sie warfen sich wild hin und her. Sie keuchten, stöhnten und grunzten. Sie sagten schmutzige Wörter, die ich hier nicht wiederholen will. Ich war schon zu dem Schluss gekommen, »es zu tun« liefe auf einen Kampf auf Leben und Tod hinaus, da stieß Mary
hervor: »Oh! O ja! Fester! Fester! Oh, ja! O mein Gott! Ja!« Falls sie tatsächlich umgebracht wurde, schien ihr es einen Heidenspaß zu machen. Dann gab sie ein Quietschen von sich, das sich eher nach Verzückung als nach Schmerz anhörte.
Danach beruhigten sich die Dinge. Schwere Atemzüge erweckten den Anschein, als seien beide erschöpft.
Dann setzte sich der Mann wieder auf, seine Füße kamen in mein Blickfeld. Er zog die Stiefel an, stand auf und ging zum Tisch. Münzen klimperten. »Ich habe noch was draufgelegt, Mary«, sagte er.
»Möchtest du nochmal?«
»Ich fürchte, ich muss los.« Er bückte sich nach seinem Mantel und hob ihn auf.
»Du willst doch sicher nicht, dass ich an so einem Abend nochmal rausmuss, oder? Wo doch dieser mörderische Schurke umherstreift.«
»Das ist nicht mein Problem.«
»Sei ein Schatz. Ich bin mit der Miete in Verzug. Ich muss nochmal raus, wenn du nicht noch was drauflegst.«
»Pass auf dich auf«, war alles, was er sagte. Dann wurde der Riegel zurückgezogen. Ein kalter Windstoß hüllte mich ein, der einen Augenblick später abbrach, als der Mann die Tür schloss.
Mary stieß einen Seufzer aus, der mir im Herzen wehtat.
Ich dachte an die Münzen in meiner Tasche. Ich hatte damit den Rum, den ich getrunken hatte, sowie den Rock und das Hemd bezahlen wollen. Wenn Mary das Geld bekam, würde sie nicht mehr losziehen müssen.
Sie würde bestimmt dankbar sein.
Und mir würde es ein gutes Gefühl geben, ihr diese Freundlichkeit zu erweisen.
Aber ich war mir nur zu deutlich bewusst, dass sie nackt über mir auf dem Bett lag. Obwohl ich sie mir unbedingt ansehen wollte, hatte ich vor den Dingen Angst, zu denen sie mich vielleicht verleiten würde.
Und wie sollte ich mich Mary zeigen, ohne ihr einen fürchterlichen Schrecken einzujagen? Vermutlich würde sie schreien. Ich war schon einmal nur knapp denjenigen entkommen, die mich für den Ripper gehalten hatten. Und das hatte mir gereicht.
Ich beschloss, in meinem Versteck zu bleiben und das Geld zu hinterlegen, nachdem sie gegangen war.
Das war eine Entscheidung, die ich für alle Zeiten bereuen sollte.
Ich hätte unter dem Bett hervorkriechen, ihr mein ganzes Geld in die Hand drücken und alle Schreie oder Dankbarkeitsbezeugungen ihrerseits riskieren sollen.
Ich hätte alles in meiner Macht Stehende tun sollen, um zu verhindern, dass sie noch einmal auf die Straße ging.
Nun, man weiß eben vorher nie, was das Leben für einen bereithält, sonst würde man so einiges anders machen.
Ich entschied mich also, kein Risiko einzugehen und in meinem Versteck zu bleiben.
Kurz darauf stand Mary auf. Sie ging zu dem Kleiderhaufen, der am Boden lag. Ich ließ sie nicht aus den Augen und hoffte, einen schnellen Blick auf ihre interessanteren Körperteile erhaschen zu können, sah
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