Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
wir den Notausgang 38 aufmachten, kam so eine Hitze raus, so daß es unmöglich war, in diesen Keller zu gelangen, so mußten wir am Eingang 40 den Fußabstreicher entfernen, um ins Bad und dadurch in die Keller 40 und 42 zu gelangen, der Keller 42 lag voll Leichen, ich stellte 50 Stück fest, es waren auch Eulitz dabei, alles lag übereinander, der Anblick war furchtbar.
Dresden/Hauptbahnhof Eine junge Flüchtlingsfrau aus Schlesien
Eines nur rettete mich und fünf bis sechs andere. Ich war in den Heizungskeller geraten, der in der Decke ein Loch von einer Brandbombe hatte. Dadurch erhielten wir ab und zu etwas Sauerstoff. Meine Kinder hatten nasse Tücher ums Gesicht; meins war weg, und ich röchelte schon sehr. Da hörte ich Rufen. Ein Offizier rief, und durch einen langen Gang half er mir raus. Wir mußten durch den brennenden Bahnhof.
Immer mehr [tote Kinder vor dem Bahnhof] türmten sich auf, man deckte sie mit einer Decke zu, die ich mir dann aber für meine lebenden Kinder nahm, die schrecklich froren. Im Morgengrauen kamen einige ganz alte SA-Männer. Ich packte meine Kinder, rannte darauf zu und sagte: »Retten Sie uns schnell hier heraus, denn ich kenne es von Köln her, es geht gleich wieder los.« Er nahm den Sechsjährigen wortlos auf den Rükken, und ich sollte ihm folgen. Eine halbe Stunde liefen wir so aus der überall brennenden Stadt.
Dresden Die Komponistin Aleida Montijn *1908
Nach dieser Nacht gab es keinen Morgen. Es blieb dunkel. Irgendwann, als es ruhiger geworden war, kam man aus den Kellern heraus. Die Mutter hatte ihr anderes Kind gefunden und holte den Säugling bei mir ab. Ich tastete mich noch einmal durch die Rauch- und Feuerhölle nach Hause zurück. Das Dach war völlig weggebrannt, ebenso der Holzfußboden. Das rotglühende Gerippe des Flügelrahmens schwelte im Sand, umgeben von den Pfützen der geschmolzenen Bronze-Gongs. Hier lag das Finale des ersten Teils meines Lebens, zerschmolzenund verglüht zu einer heißen Hölle, in der man fast erstickte. – Das war nur die erste Nacht gewesen. Mit Kreide – die hatte man immer bei sich, um Nachrichten hinterlassen zu können – schrieb ich an die Fassade meines Wohnhauses: »Gehe Richtung Westen. Aleida.«
Dresden Der Soldat Bruno Schote *1923
Nach diesem Angriff fuhr Feldpolizei mit Motorrädern durch Pieschen und forderte alle Militärangehörigen unter Androhung von Strafen auf, sich zu Bergungsarbeiten sofort im Taschenbergpalais zu melden. Daraufhin begab ich mich nach 2 Uhr mit einem Fahrrad in Richtung Innenstadt. Erste große Zerstörungen sah ich vor der Marienbrücke, wo Häuser am Hotel »Stadt Metz« auf die Straße gestürzt waren. In der Ostra-Allee brannten ringsum alle Häuser. Auch das Taschenbergpalais brannte.
Es war jetzt etwa 5 Uhr. Kommandeure vor dem Taschenbergpalais wiesen die eintreffenden Militärangehörigen zu Bergungsarbeiten ein. Ich erhielt mit meinen Kenntnissen der Pionierausbildung die Leitung über einen Einsatztrupp von ca. 25 Personen. Die erste Aufgabe war, gegenüber vom Taschenbergpalais den Luftschutzkeller von Webers Hotel freizulegen. Ehe wir den Keller öffneten, ließen wir allmählich über ein Rohr Frischluft hinein. Ein plötzliches Öffnen hätte zum Lungenschlag bei den Eingeschlossenen geführt. Das hatte ich in der Pionierausbildung gelernt. Die Mehrzahl der Leute, die im Luftschutzkeller von Webers Hotel Schutz suchten, konnten wir lebend bergen.
Auf dem Postplatz war ein Sammelplatz für aufgefundene Leichen.
(Dresden) Victor Klemperer 1881–1960
Die Bombeneinschläge schienen für hier vorüber, aber ringsum flammte alles lichterloh. Ich konnte das Einzelne nicht unterscheiden, ich sah nur überall Flammen, hörte den Lärm des Feuers und des Sturms, empfand die fürchterliche innere Spannung. Nach einer Weile sagte Eisenmann: »Wir müssen zur Elbe herunter, wir werden durchkommen.« Er lief mit dem Kind auf der Schulter abwärts; nach fünf Schritten war mein Atem weg, ich konnte nicht folgen. Eine Gruppe Leute kletterte die Anlagen hinauf zur Brühlterrasse; es ging dicht an Bränden vorbei, aber oben mußte es sich kühler und freier atmen lassen. Ich stand dann oben, im Sturmwind und Funkenregen. Rechts und links flammten Gebäude, das Belvedere und – wahrscheinlich – die Kunstakademie. Immer wenn der Funkenregen an einer Seite zu stark wurde, wich ich nach der andern zu aus. Im weiteren Umkreis nichts als Brände. Diesseits der Elbe
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