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Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Titel: Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Gasometer, der aussah wie ein mächtiges, illuminiertes Rundzelt der Vogelwiese. Wahrhaftig! Soähnlich war es draußen an den Elbwiesen zugegangen, wenn das große Feuerwerk abgebrannt wurde; nur gab es diesmal ein Feuerwerk, das die ganze Stadt verzehrte, das Menschen in Fackeln verwandelte und ganze Kaskaden von Phosphor von den Fassaden der Häuser herabfließen ließ.
    Durch die Glutröte des Himmels sickerte allmählich ein fahles Indigo und hellte sich immer mehr auf.
     
    Bannewitz Ernst Heinrich Prinz von Sachsen 1 896–1971
    Als der Angriff beendet war, gingen wir zum Auto. Es stand noch auf der Straße und – o Wunder – es sprang sofort an, nur die Scheiben waren alle zerbrochen. Wir fuhren in Richtung Dippoldiswalde bis zur Ortschaft Bannewitz, die hoch über dem Elbtal liegt. Von dort aus bot sich ein furchtbarer Anblick. Die ganze Stadt war ein einziges Feuermeer. Das war das Ende! Da brannte das herrliche Dresden, unser Elbflorenz, in dem meine Familie fast 400 Jahre residiert hatte. Kunst und Tradition und Schönheit von Jahrhunderten waren in einer einzigen Nacht zerschlagen worden! Ich stand wie versteinert.
    Für die Eltern von Gina fand sich in Bannewitz eine Unterkunft. Ich verbrachte den Rest der Nacht in einem Lokal, auf einem Billardtisch sitzend. Ununterbrochen trafen verstörte, teils apathische, teils aufgeregte Menschen ein, die der Hölle von Dresden entkommen waren. Sie erzählten grausige Dinge über die beiden Angriffe, den Zustand der Stadt und die unübersehbaren Verluste an Menschenleben.
     
    Dresden Die Hauswirtschaftslehrerin Herta Daecke
    Ganz langsam wird es etwas ruhiger, und die Flugzeuge entfernen sich. Auf einmal ruft es: »Sofort räumen, das Haus brennt lichterloh!« Wir können alle gerade noch aus dem brennenden Haus heraus kommen – die meisten sogar noch mit ihrem Luftschutzgepäck – nur meines ist schon verschüttet. Aber wo nun hin? Der Rauch ist undurchdringlich. Umhüllte Menschen kommen uns schon entgegen und sagen: »Hier können Sie nicht mehr durch!« Auf der anderen Seite ist es ebenso. Gott sei Dank ist ein noch nicht brennendes Haus in der Leubnitzerstraße. Dort verbringen wir, auf der Kellertreppe hockend, die Stunden bis zum Morgen. Ringsum brennt und prasselt es – hoffentlich schlägt das Feuer nicht über. Die hindämmernden Stunden werden zur Ewigkeit. Als es zu dämmern beginnt verabschiedet sich die Hausgemeinschaft – jeder versucht sich nach einer anderen Richtung durchzupirschen. Ich bin froh, daß ich nur einen Rucksack habe und mir somit keine Sorgen wegen Gepäckschlepperei zu machen brauche.
     
    Dresden Eine Schülerin
    Nach dem zweiten Angriff verließen nach und nach alle Hausbewohner den Keller, denn man ahnte etwas von einem Hausbrand. Wir Kinder blieben unten im Keller und erwarteten angstvoll meine Eltern zurück, schließlich kamen sie auch. Sie wollten noch einen Sealmantel retten, aber in den Flammen mußten sie ihn wieder fallen lassen. Mein Vater und mein Onkel hatten sich noch vergeblich mit einer winzigen Feuerlöschspritzeabgemüht, um den Brand, der auf unsere Wohnung vom Dachgeschoß überzugreifen drohte, einzudämmen, aber vergeblich. Immer mehr Flammen züngelten durch die Decke. Es war nichts mehr zu retten. Wir verließen dann zu viert als letzte den Keller. Meine Mutter griff in der Dunkelheit noch einen Koffer, sie schleppte ihn noch eine Stunde mit sich herum, aber zu unserm Schrecken gehörte er uns nicht. Wir gaben ihn dann noch später an einer NSV-Stelle ab. Mein Vater trug einen Koffer mit Papieren heraus. Als wir in die Dunkelheit hinaustraten, hatte sich der Orkan noch verstärkt, es war nur noch ein einziger Funkenregen. Unaufhörlich ließen sich diese Funken auf den Kleidern nieder, ich drückte sie überall aus, um nicht noch eine lebendige Fackel zu werden. Der Garten war von Sprengbomben und Phosphorkanistern bedeckt. Mein Vater und wir Kinder gingen etwas voraus nahe am Haus vorbei; es fielen brennende Holzstücke herunter. Plötzlich fiel ein brennender Fensterladen herunter. Meine Mutter, die kurz hinter uns ging mit unserem Hausmeister, wäre fast davon getroffen worden, hätte er sie nicht blitzschnell zurückgerissen. »Hier können Sie nicht mehr hergehen«, hatte er nur noch gerufen, dann waren die beiden hinten über eine Gartenmauer gesprungen, um auf die Straße zu gelangen. Nun standen wir Kinder wieder allein da; mein Vater war in panischem Schrecken wieder zurückgelaufen, um meine

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