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Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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mir die Knochen brachen!«
    Deutlich konnte Miller das Taschentuch in der Hand seines Sohnes erkennen. Die Buchstaben WHH waren in großen, deutlichen Lettern an einem Zipfel eingestickt.
    Nun meldeten sich sogar einige von Harrisons eigenen Soldaten zu Wort. »Das ist wahr! Vor zwei Tagen haben wir diesen Jungen zu Harrison gebracht.«
    »Wir haben nicht gewußt, daß es einer der Jungen war, von dem es hieß, die Roten hätten ihn getötet!«
    Ein schriller Schrei hallte über die Weide. Alle sahen hinunter zu dem einäugigen Propheten, der auf dem festen, roten Wasser des Tippy-Canoe stand.
    »Komm zu mir, mein Volk!« sagte er.
    Die überlebenden Roten schritten langsam, stetig auf das Wasser zu. Sie schritten über die Wasseroberfläche und versammelten sich auf der anderen Seite.
    »Mein ganzes Volk komme zu mir!«
    Etwa tausend Verwundete erhoben sich zwischen den Leichenbergen und versuchten, den Strom zu erreichen. Viele von ihnen brachen zusammen und starben, bevor sie dort angelangt waren. Jene, die bis zum Wasser kamen, torkelten, krochen über seine Oberfläche. Die Roten auf der anderen Seite halfen ihnen.
    Miller bemerkte etwas Seltsames. Alle diese verwundeten Roten, aber auch alle unverwundeten, alle waren sie über den blutroten Fluß gegangen, und doch klebte an ihren Händen und Füßen nicht ein einziger Blutfleck.
    »All mein Volk, alle, die gestorben sind – kommt heim, spricht das Land!«
    Um sie herum war die Weide mit Leichen übersät. Bei den Worten des Propheten schienen die toten Körper nun zu erzittern, zu zerbröckeln; sie versanken im Gras der Weide. Es dauerte vielleicht eine Minute, dann waren sie verschwunden, sproß das Gras wieder üppig und grün.
    »Komm zu mir, mein Freund Measure.« Der Prophet sagte es leise und streckte die Hand vor.
    Measure kehrte seinem Vater den Rücken zu und schritt den grasbewachsenen Abhang bis zur Wasserkante hinunter.
    »Schreite zu mir«, sagte der Prophet.
    »Ich kann nicht auf dem Blute deines Volkes dahinschreiten«, antwortete er.
    »Sie haben ihr Blut gegeben, um dich zu erheben«, sagte der Prophet. »Komm zu mir oder nimm den Fluch auf dich, der auf jeden weißen Mann auf dieser Weide fallen wird.«
    »Dann werde ich wohl bleiben«, sagte Measure. »Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, ich glaube kaum, daß ich anders gehandelt hätte, als sie es getan haben. Wenn sie schuldig sind, so bin ich es auch.«
    Der Prophet nickte.
    Alle weißen Männer spürten etwas Warmes und Feuchtes und Klebriges an den Händen. Einige von ihnen schrien auf, als sie es sahen. Von den Ellenbogen bis zu den Händen troffen sie vor Blut. Manche versuchten, es an ihren Hemden abzuwischen. Einige suchten nach Wunden, die vielleicht bluteten, doch es gab keine Wunden, nur blutige Hände.
    »Wollt ihr Eure Hände vom Blut meines Vaters reinigen?« fragte der Prophet. Er schrie nicht mehr, dennoch hörten ihn alle, jedes Wort. Und die Antwort lautete ja. Ja, sie wollten ihre Hände reinigen.
    »Dann kehrt nach Hause zurück und berichtet euren Frauen und Kindern, euren Nachbarn und euren Freunden diese Geschichte. Erzählt ihnen aber die ganze Geschichte. Laßt nichts aus. Sagt ihnen nicht, daß irgend jemand euch getäuscht hätte – ihr alle wußtet, daß es Mord war, als ihr auf Menschen feuertet, die keine Waffen besaßen, als ihr auf Kinder anlegtet, die in den Armen ihrer Mütter ruhten, auf alte Männer und Frauen; ihr habt uns gemordet, weil wir Rote waren. Also erzählt die Geschichte so, wie sie geschah, und wenn ihr sie wahrhaftig erzählt, werden eure Hände rein bleiben.«
    Kein Mann auf dieser Weide, der nicht vor Scham weinte oder zitterte. Ihren Frauen und Kindern, ihren Eltern, ihren Geschwistern von diesem Tagewerk zu berichten, das erschien ihnen unerträglich. Aber wenn sie es nicht täten, würden ihre blutigen Hände die Geschichte an ihrer Stelle erzählen.
    Doch der Prophet hatte noch nicht alles gesagt. »Wenn irgendein Fremder kommen sollte und ihr ihm nicht vor dem Schlafengehen die ganze Geschichte erzählt, so wird das Blut an euren Händen zurückkehren und dort so lange bleiben, bis ihr sie ihm berichtet habt. So wird es bleiben bis zum Ende eures Lebens – jeder Mann und jede Frau, denen ihr begegnet, wird die wahre Geschichte von euren eigenen Lippen hören müssen, oder eure Hände werden wieder befleckt. Und solltet ihr jemals, aus welchem Grund auch immer, ein anderes Menschenwesen töten, dann sollen eure Hände und euer

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