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Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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ergebenen Soldaten. Die Amerikaner würden dazu gezwungen sein, sich wie eine europäische Armee zu sammeln. Langsam würden die Franzosen von ihrem Angriff ausweichen. Und wenn dann beim Nachstoßen die amerikanische Disziplin zusammenbrach, erst dann würden die Roten in verheerender Anzahl angreifen und die Amerikaner völlig einkesseln. Kein einziger Amerikaner würde mit dem Leben davonkommen – und kaum ein Franzose würde sein Leben lassen.
    Ein kühner, gefährlicher Plan. Es bedeutete, die französischen Truppen dem ernsten Risiko der Vernichtung auszusetzen, da die Amerikaner ihnen zahlenmäßig weit überlegen waren. Es bedeutete, den Roten vertrauen zu müssen. Doch Gilbert wußte, daß Napoleons Vertrauen in Ta-Kumsaw gerechtfertigt war.
    Ta-Kumsaw würde seine Rache bekommen. De Maurepas würde seine Flucht aus Detroit bekommen. Sogar La Fayette würde aus einem solchen Sieg wahrscheinlich genug Kapital schlagen können, um nach Hause zurückzukehren und auf seinen angestammten Ländereien in Wohlstand und Würde weiterzuleben. Vor allem aber würde Napoleon zum meistgeliebten General werden, dem man am allermeisten vertraute. Mit Sicherheit würde König Charles ihm einen Titel verleihen und ihm Ländereien übertragen und ihn auf Siegeszüge in Europa ausschicken, wodurch König Charles immer reicher und mächtiger wurde und die Menschen seine Tyrannei immer williger ertragen würden.
    Und deshalb zerriß La Fayette de Maurepas Brief sorgfältig in winzige Stücke.
    Der zweite Brief war von Napoleon an ihn selbst gerichtet. Er war sehr offen, sogar brutal in seiner Einschätzung der Lage. Napoleon hatte begriffen, daß Gilbert de La Fayette zwar immun gegen seinen betörenden Charme war, daß er zugleich aber auch sein ehrlicher Bewunderer und sogar sein Freund war. Ich bin auch Euer Freund, Napoleon. Und doch bin ich mehr ein Freund Frankreichs als jeden anderen Mannes. Und der Weg, der mir für Euch vorschwebt, bedeutet weitaus mehr, als nur der Lakai eines törichten Königs zu sein.
    La Fayette las noch einmal den entscheidenden Absatz in Napoleons Brief.
    De Maurepas wiederholt lediglich, was ich sage, was zwar bequem, aber mühsam ist. Mir schaudert bei dem Gedanken, was geschehen würde, wenn er jemals das Kommando übernähme. Seine Vorstellung von einem Pakt mit den Roten beschränkt sich darauf, sie in Uniformen zu stecken und in Reihen aufzubauen wie Kegel. Welch eine Torheit! Wie kann König Charles sich selbst nur für etwas anderes als einen Halbirren halten, wenn er mich dazu zwingt, unter einem solchen Idioten wie Freddie zu dienen? Aber Charles mag Freddie zweifellos wie der sprühende Witz in Person erscheinen – schließlich weiß er nicht einmal das Ballett zu schätzen. In Spanien habe ich für Charles einen Sieg errungen, den er nicht verdiente, und doch verfügt er über so wenig Rückgrat, daß er es zuläßt, daß seine eifersüchtigen Höflinge mich nach Kanada manövrieren, wo meine Verbündeten Wilde und meine Offiziere Narren sind. Charlie verdient den Sieg nicht, den ich ihm bescheren werde. Aber das königliche Geschlecht ist ja im Laufe der Jahre seit Ludwig XIV. immer denaturierter geworden, mein Freund Gilbert. Für gewöhnlich würde ich Euch drängen, diesen Brief zu verbrennen, doch Charlie liebt mich so sehr, daß ich sogar glaube, er könnte ihn Wort für Wort lesen, ohne daran Anstoß zu nehmen! Und selbst wenn er daran Anstoß nähme, wie könnte er es wagen, mich zu bestrafen? Wie stände er heute in Europa da, hätte ich dem alten Holzkopf damals nicht zur Dynastie verholfen, damit ich den Krieg in Spanien gewinnen konnte, anstatt ihn zu verlieren, wie es ohne mich sicherlich geschehen wäre?
    Napoleons Eitelkeit war zwar unerträglich, hauptsächlich allerdings, weil sie so durch und durch gerechtfertigt war. Jedes Wort seines Briefes war wahr, wenn auch überstürzt; doch Gilbert hatte diese Aufrichtigkeit bei Napoleon sorgfältig kultiviert. Napoleon hatte sich offensichtlich nach jemandem gesehnt, der ihn ehrlich bewunderte, ohne daß er seine Zuneigung manipulieren mußte. Einen solchen Menschen hatte er – und er hatte es wirklich – in Gilbert gefunden, dem einzig wirklichen Freund, den Napoleon jemals haben würde. Und doch. Sorgfältig faltete Gilbert Napoleons Brief zusammen und schloß ihn in seinen eigenen ein, einer schlichten Notiz mit dem Wortlaut:
    Euer Majestät, seid bitte nicht zu streng mit diesem begabten jungen Mann. Ihm eignet die

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