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Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Ta-Kumsaw lächelte. Es war ein entsetzliches Lächeln, wie die Zähne eines Tigers, die in der Dunkelheit des Dschungels aufblitzten, seine Augen glühten, seine Haut war flammenhell.
    »Es tut mir leid, ich wollte nicht ...«
    »Der weiße Mann will nie irgend etwas, er kann sich nur nicht beherrschen, immer war alles nur ein Versehen. Das denkt Ihr doch wohl, nicht wahr, weißer Lügner! Alvins Volk hat mein Volk getötet, weil es ein Versehen war, weil sie glaubten, daß zwei weiße Jungen tot seien, und wegen zweier weißer Jungen haben sie zugeschlagen, genau wie Ihr es getan habt, und sie haben neuntausend von meinem Volk getötet, Säuglinge und Mütter, alte Männer und kleine Jungen, ihre Kanonen ...«
    »Ich habe auch gehört, was Alvin erzählt hat.«
    »Gefällt Euch meine Geschichte etwa nicht? Wollt Ihr sie gar nicht hören? Ihr seid Weiß, Geschichtentauscher. Ihr seid wie alle weißen Männer, schnell dabei, um Verzeihung zu bitten, doch sehr langsam, wenn Ihr sie selbst gewähren sollt. Immer erwartet Ihr Geduld, braust dabei aber auf wie ein Windstoß – Ihr brennt doch gleich einen ganzen Wald nieder, nur weil Ihr über eine Wurzel gestolpert seid!« Ta-Kumsaw machte kehrt und begann, schnell den Weg zurückzugehen, den sie gekommen waren.
    »Wie könnt Ihr ohne mich gehen!« rief Geschichtentauscher ihm nach. »Wir müssen zusammen von hier fort!«
    Ta-Kumsaw blieb stehen, drehte sich um, legte den Kopf zurück und lachte ohne Fröhlichkeit. »Um hinunterzukommen brauche ich keinen Pfad, weißer Lügner!« Dann lief er auch schon weiter.
    Alvin war inzwischen erwacht.
    »Es tut mir leid, Alvin«, sagte Geschichtentauscher. »Ich wollte nicht ...«
    »Nein«, erwiderte Alvin, »laß mich raten, was er getan hat. Er hat Euch auf diese Weise berührt.« Und Alvin berührte Geschichtentauschers Lippen genauso wie Ta-Kumsaw es getan hatte.
    »Ja.«
    »Das tun Shaw-Nee-Mütter mit kleinen Jungen, die zuviel Lärm machen. Aber wenn ein roter Mann das mit einem anderen tut ... Er wollte Euch provozieren.«
    »Ich hätte ihn nicht schlagen dürfen.«
    »Dann hätte er Euch so lange weiter provoziert, bis Ihr es doch getan hättet.«
    Darauf wußte Geschichtentauscher keine Antwort. Wahrscheinlich hatte der Junge recht. Das einzige, was Ta-Kumsaw heute nicht ertragen konnte, war das friedliche Zusammensein mit einem weißen Mann.
    Alvin schlief wieder ein.
    Die Sonne neigte sich schon am Horizont, als Alvin wieder erwachte und Geschichtentauscher ihm auf die Beine half.
    »Wenn ich stehen muß, fühle ich mich wie ein neugeborenes Fohlen«, sagte Alvin. »Ich fühlte mich so schwach.«
    »Du hast ja auch in den letzten vierundzwanzig Stunden nur knapp die Hälfte der Arbeiten des Herkules vollbracht«, meinte Geschichtentauscher.
    »Des Herrn was?«
    »Herkules. Ein Grieche.«
    »Ich muß Ta-Kumsaw suchen«, sagte Alvin. »Ich hätte ihn nicht gehen lassen dürfen, aber ich war so müde.«
    »Du bist auch weiß«, erwiderte Geschichtentauscher. »Glaubst du etwa, daß er dich bei dir haben will?«
    »Tenskwa-Tawa hat prophezeit«, erwiderte Alvin, »daß Ta-Kumsaw so lange nicht sterben wird, wie ich bei ihm bin.«
    Geschichtentauscher stützte Alvin. Sie stiegen den sanften, grasbewachsenen Abhang hinauf. Dann blieben sie stehen und sahen nach unten. Geschichtentauscher konnte keinen Pfad ausmachen – nur Dornensträucher, Schlingpflanzen, Büsche. »Da komme ich nicht durch.«
    Alvin musterte ihn verwundert. »Der Pfad ist doch ganz deutlich zu sehen.«
    »Für dich vielleicht«, antwortete Geschichtentauscher. »Aber für mich nicht.«
    »Ihr seid doch auch hierhergekommen«, wandte Alvin ein.
    »Ja, zusammen mit Ta-Kumsaw«, versetzte Geschichtentauscher.
    »Der ist auch hinuntergekommen.«
    »Ich bin kein roter Mann.«
    »Ich werde Euch führen.«
    Alvin machte einige forsche Schritte vorwärts, ganz leicht, wie bei einem Sommerspaziergang. Für Geschichtentauscher aber sah es so aus, als würden sich die Dornensträucher kurz für ihn öffnen, um sich hinter ihm sofort wieder dicht zu schließen. »Alvin!« rief er. »Bleib bei mir!«
    Alvin kam zurück und nahm ihn bei der Hand. »Geht ganz dicht hinter mir«, forderte er ihn auf.
    Geschichtentauscher versuchte es, doch noch immer schnellten die Dornenzweige zurück und schlugen ihm ins Gesicht.
    Solange Alvin voranging, kam auch Geschichtentauscher weiter, doch er fühlte sich dabei, als würde man ihn von hinten durchpeitschen. Nicht einmal

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