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Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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mit ihm darüber zu diskutieren. Er wußte, daß Ta-Kumsaw seinen Weg gehen würde, egal, was geschah, und wenn es ihm tausend blutende Wunden einbrachte. Er hoffte nur, daß Alvin genug Kraft besaß, um bis zum Schluß bei ihm zu bleiben und ihn am Leben zu halten, wenn alle Hoffnung verschwunden war.
    Gegen Mittag, nachdem er den ganzen Morgen in Richtung Westen gewandert war, machte Geschichtentauscher halt und zog sein Buch aus seinem Beutel. Zu seiner Erleichterung konnte er die Worte wieder lesen. Er öffnete das Siegel jenes hinteren Teils des Buches, in den er selbst zu schreiben pflegte, und verbrachte den Rest des Nachmittags damit, alles aufzuschreiben, was ihm widerfahren war, und alles, was Alvin ihm erzählt hatte.
    Geschichtentauscher konnte nicht reisen wie ein roter Mann, indem er durch die Nacht schritt und ihm Gehen schlief. So brauchte er mehr als nur ein paar Tage, um nach Vigor Church zu gelangen, wo es viele Menschen geben würde, die ihm lange und bittere Geschichten zu erzählen hatten. Wenn es jemals Menschen gegeben hatte, die einen Mann wie Geschichtentauscher brauchten, damit er sich ihre Geschichte anhörte, so waren sie es. Aber es hatte noch nie eine Geschichte gegeben, vor der sich Geschichtentauscher so sehr fürchtete wie ihre. Und er scheute nicht davor zurück, sie aufzusuchen. Er konnte es ertragen. Bevor Ta-Kumsaw am Ende war, würde es noch sehr viele finstere Geschichten zu erzählen geben; da war es besser, wenn er jetzt schon anfing, um den Ereignissen nicht nachzuhinken.

16. La Fayette
    Gilbert de La Fayette saß an seinem riesigen Tisch und musterte die Maserung des Holzes. Vor ihm lagen mehrere Briefe. Einer davon war ein Schreiben von de Maurepas an König Charles. Freddie war offensichtlich völlig von Napoleon eingenommen. Der Brief enthielt viel Lob für den kleinen General und seine brillante Strategie.
    Und so werden wir bald den entscheidenden Sieg davontragen, Euer Majestät, um Euren Ruhm zu mehren. General Bonaparte weigert sich, sich von der militärischen Tradition Europas einengen zu lassen. Er bildet unsere Truppen darin aus, wie Rote zu kämpfen, während er zugleich die sogenannten Amerikaner dazu provoziert, wie Europäer auf offenem Feld zu kämpfen. So wie Andrew Jackson seine amerikanische Armee aushebt, werben auch wir Männer an, die sich mit weitaus größerem Recht Amerikaner nennen dürfen.
    Ta-Kumsaws Zehntausend werden an unserer Seite stehen, wenn wir die Zehntausend des Old Hickory vernichten. Solcherart wird Ta-Kumsaw das Blutbad am Tippy-Canoe rächen, derweil wir die amerikanische Armee vernichten und uns das Land vom Hio bis zum Huronsee unterwerfen. Bei alledem werden wir Eurer Majestät getreu allen Ruhm zusprechen, war es doch Euer Scharfsinn, den General Bonaparte hierher auszusenden, der diese große Eroberung ermöglichte. Und wenn Euer Majestät noch zweitausend weitere Franzosen zu schicken beliebten, um unsere Reihen zu stärken und die Amerikaner zu weiteren überstürzten Handlungen zu provozieren, so wird man in Eurer Majestät Eingreifen einen entscheidenden Schlüssel zu Sieg erblicken.
    Für einen Comte – noch dazu für einen, der in Ungnade gefallen war – war es ein kühner Brief. Und doch wußte Gilbert, wie dieses Schreiben aufgenommen werden würde. Denn König Charles befand sich ebenfalls im Banne Napoleons, und er würde das Lob des kleinen Korsen mit Zustimmung, ja mit Freude lesen.
    Wenn Napoleon doch nur ein eitler Hochstapler gewesen wäre, der lediglich die Fähigkeit besaß, die Loyalität seiner Vorgesetzten durch Verführungskünste zu erringen, dann hätte La Fayette seinem unausweichlichen Fall zusehen können, ohne sich dabei die eigenen Hände zu beflecken. Napoleon und de Maurepas hätten die französische Armee in eine Katastrophe geführt, wie sie sehr wohl den Sturz einer Regierung hätte auslösen können, was möglicherweise sogar zur Abschaffung der Monarchie hätte führen können, wie sie die Engländer eineinhalb Jahrhunderte zuvor klugerweise vollzogen hatten.
    Doch Napoleon war genau das, was er Freddie und Charlie von sich glauben machte: ein brillanter General. Gilbert wußte, daß Napoleons Plan gelingen würde. Die Amerikaner würden nach Norden marschieren, davon überzeugt, daß sie es nur mit Roten zu tun bekommen würden. Im letzten Augenblick würden sie sich plötzlich in Kampfhandlungen mit der französischen Armee verwickelt sehen, mit den disziplinierten, und Napoleon loyal

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