Der rote Prophet
nüchternen Shaw-Nee sehen, glauben sie, daß sie gefährlich wären.«
»Dieses Problem scheint der hier nicht zu haben.«
»Ich weiß. Ich versuchte gerade herauszubekommen, wer ihm seinen Whisky gegeben hat, aber er will es mir nicht sagen.«
Reverend Thrower wandte sich an Lolla-Wossiky. »Wißt Ihr denn nicht, daß der Whisky ein Werkzeug des Teufel ist und der Untergang des roten Mannes?«
»Ich glaube kaum, daß er genug Englisch spricht, um zu verstehen, was Ihr sagt, Reverend.«
»Whisky sehr schlecht für roten Mann«, bemerkte Lolla-Wossiky.
»Hm, vielleicht versteht er es doch«, meinte Brustwehr-Gottes lachend. »Lolla-Wossiky, wenn Ihr doch genau wißt, wie schlimm der Branntwein ist, wie kommt es dann, daß Ihr nach billigem Whisky stinkt wie eine irische Bar?«
»Branntwein sehr schlimm für roten Mann«, bemerkte Lolla-Wossiky, »aber roter Mann ständig durstig.«
»Dafür gibt es eine ganz einfache, wissenschaftliche Erklärung«, warf Reverend Thrower ein. »Die Europäer kennen alkoholische Getränke schon so lange, daß sie eine gewisse Widerstandsfähigkeit dagegen aufgebaut haben. Europäer, die verzweifelt nach Alkohol gieren, sterben in der Regel jünger, bekommen weniger Kinder, sorgen schlechter für die Kinder, die sie haben. Deshalb haben die meisten Europäer einen Widerstand gegen Alkohol entwickelt. Aber ihr Roten habt diese Toleranz nie aufgebaut.«
»Verdammt, das stimmt«, sagte Lolla-Wossiky. »Weißer Mann sagt Wahrheit. Wie kommt es, daß weißer Mörder Harrison Euch noch nicht getötet hat?«
»Also hör sich das mal einer an«, kommentierte Brustwehr-Gottes. »Das ist schon das zweite Mal, daß er Harrison einen Mörder nennt!«
»Geflucht hat er dabei aber auch, was ich nicht sonderlich schätze.«
»Wenn er aus Carthage stammt, dann hat er sein Englisch von einer Klasse Weißer gelernt, die Ausdrücke wie ›verdammt‹ für eine Art Zeichensetzung halten, falls Ihr versteht, was ich meine, Reverend. Aber hört mal, Lolla-Wossiky. Dieser Mann hier, das ist der Reverend Philadelphia Thrower, und er ist ein Geistlicher des Herrn Jesus Christus, also solltet Ihr in seiner Gegenwart schlechte Ausdrücke vermeiden.«
Lolla-Wossiky hatte nicht die leiseste Vorstellung, was ein Geistlicher war – in Carthage City gab es so etwas nicht. Er konnte sich nur vorstellen, daß ein Geistlicher eine Art Gouverneur war, nur netter.
»Werdet Ihr in diesem großen Haus wohnen?«
»Hier wohnen?« fragte Thrower. »Oh, nein. Das ist das Haus des Herrn.«
»Wessen Haus?«
»Des Herrn Jesus Christus.«
Lolla-Wossiky hatte von Jesus Christus gehört. Weiße Männer sprachen den Namen ständig aus, vor allem dann, wenn sie wütend waren oder logen. »Sehr zorniger Mann«, meinte Lolla-Wossiky. »Er wohnt hier?«
»Jesus Christus ist ein liebevoller und alles verzeihender Herr«, widersprach Reverend Thrower. »Nein, er wird nicht hier wohnen, wie ein weißer Mann in seinem Haus wohnt. Aber wenn gute Christen zum Gottesdienst wollen – um zu singen und das Wort des Herrn zu vernehmen –, dann versammeln wir uns an diesem Ort. Das ist eine Kirche. Das heißt, es wird einmal eine werden.«
»Jesus Christus spricht hier?« Lolla-Wossiky dachte, daß es interessant sein könnte, diesem wichtigen weißen Mann einmal von Angesicht zu Angesicht zu begegnen.
»Oh, nein, nicht persönlich. Ich spreche für ihn.«
Unten am Fluß des Hügels ertönte eine Frauenstimme. »Brustwehr! Brustwehr Weaver!«
Brustwehr-Gottes riß sich aus seinen Gedanken. »Das Abendessen ist fertig, und sie ruft schon. Kommt schon, Lolla-Wossiky. Betrunken oder nicht, wenn Ihr etwas zu essen wollt, könnt Ihr mitkommen und werdet etwas bekommen.«
»Ich hoffe, daß Ihr das tut«, sagte Reverend Thrower. »Und wenn wir mit dem Abendessen fertig sind, hoffe ich, Euch die Worte des Herrn Jesus näherbringen zu können.«
»Als allererstes«, sagte Lolla-Wossiky, »müßt Ihr versprechen, mich nicht einzusperren. Ich will nicht eingesperrt werden, ich muß mein Traumtier finden.«
»Wir werden Euch nicht einsperren. Ihr könnt mein Haus jederzeit verlassen.« Brustwehr-Gottes wandte sich an Reverend Thrower. »Da seht Ihr, was diese Roten von William Henry Harrison über die Weißen lernen. Branntwein und Gefängnis.«
»Was mich noch mehr bewegt, das ist sein heidnischer Glaube. Ein Traumtier! Sind Traumtiere für sie eine Art Götter?«
»Das Traumtier ist nicht Gott, es ist ein Tier, von dem sie
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