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Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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und ließ ihn erneut zuschlagen, diesmal gegen die Brust, ein harter Schlag, der Ta-Kumsaw die Luft aus den Lungen peitschte. Measure konnte das Grunzen hören. Die Männer standen am Abhang der Düne, so daß er nur langsam den Hügel hinaufkam. Ta-Kumsaw stockte nicht, als die Hiebe ihn trafen. Seine Männer hatten strenge, pflichtbewußte Mienen aufgesetzt. Sie halfen ihm dabei, seinen Mut unter Beweis zu stellen, deshalb fügten sie ihm Schmerzen zu, doch keine Hiebe, die ihn dauerhaft hätten schaden können. Das Schlimmste bekamen seine Waden, der Bauch und die Schultern ab. Doch die waren bald schon blutig genug. Ich bin wirklich ein prächtiger Narr, dachte Measure. Da stehe ich nun hier und messe meinen Mut mit dem des mutigsten Mannes in ganz Amerika.
    Ta-Kumsaw erreichte das Ende der Reihe, drehte sich um und sah Measure vom Gipfel der Düne aus an. Sein Körper troff vor Blut, und er lächelte. »Kommt zu mir, tapferer weißer Mann«, rief er.
    Measure zögerte nicht. Er schritt sofort auf das Gatlopp zu. Es war eine Stimme von hinten, die ihn wieder stehenbleiben ließ. Der Prophet, der etwas auf Shaw-Nee rief. Die Roten sahen ihn an. Als er fertig war, spuckte Ta-Kumsaw aus. Measure, der nicht wußte, was der Prophet gesagt hatte, ging wieder los. Als er den ersten Roten erreichte, erwartete er einen mindestens ebenso harten Schlag, wie ihn Ta-Kumsaw erhalten hatte. Doch nichts geschah. Er machte einen weiteren Schritt vorwärts. Wieder nichts. Vielleicht wollten sie ihm zum Zeichen ihrer Verachtung in den Rücken schlagen, doch er stieg die Düne immer weiter hoch, und noch immer gab es keinen einzigen Schlag, keine Bewegung.
    Er wußte, daß er hätte erleichtert sein sollen, statt dessen war er jedoch wütend. Sie hatten Ta-Kumsaw dabei geholfen, seinen Mut zu beweisen, und nun machten sie Measures Spießrutenlaufen zu einem Gang der Schande anstelle der Ehre. Er wirbelte herum und sah den Propheten an, der am Fuße der Düne stand, den Arm auf Alvins Schulter gelegt.
    »Was habt Ihr ihnen gesagt?« wollte Measure wissen.
    »Ich habe ihnen gesagt, daß jeder behaupten würde, daß Ta-Kumsaw und der Prophet diese Jungen entführt und ermordet haben, wenn sie Euch töten sollten. Ich habe ihnen gesagt, daß man sich bei Euch zu Hause erzählen würde, man habe Euch gemartert, falls sie Euch auch nur eine Wunde zufügen sollten.«
    »Und ich sage Euch, daß ich eine faire Chance haben will, um zu beweisen, daß ich kein Feigling bin!«
    »Das Gatlopp ist eine törichte Einrichtung für Männer, die ihre Pflicht vernachlässigt haben.«
    Measure beugte sich vor und riß einem der Roten die Keule aus der Hand. Er schlug sich immer und immer wieder damit auf die eigenen Waden, versuchte, Blut zu ziehen. Es tat weh, doch nicht sehr schlimm, denn ob er wollte oder nicht, stets zuckten seine Arme bei dem Gedanken zurück, er solle sich selbst Schmerz zufügen. Also drückte er dem Krieger wieder den Ast in die Hand und verlangte: »Schlagt mich!«
    »Je größer ein Mann ist, um so mehr Menschen dient er«, sagte der Prophet. »Ein kleiner Mann dient nur sich selbst. Größer ist es, der eigenen Familie zu dienen. Noch größer ist es, dem eigenen Stamm zu dienen. Und danach dem eigenen Volk. Am größten aber ist es, allen Menschen und allen Ländern zu dienen. Zeigt Mut für Euch selbst. Für Eure Familie, für Euren Stamm, für Euer Volk, für mein Volk – für das Land und alle Menschen darin durchlauft Ihr diese Gatlopp ohne eine Wunde.«
    Langsam dreht sich Measure um, schritt die Düne zu Ta-Kumsaw empor, unberührt. Wieder spuckte Ta-Kumsaw auf den Boden, diesmal vor Measures Füße.
    »Ich bin kein Feigling«, sagte Measure.
    Ta-Kumsaw ging davon. Er ging, rutschte, glitt die Düne hinab. Die Krieger des Gatlopp schritten ebenfalls fort. Measure stand oben auf der Düne, voller Scham, er war wütend und fühlte sich benutzt.
    »Geht!« rief der Prophet. »Geht nach Süden!«
    Er reichte Alvin einen Beutel, worauf dieser die Düne emporkletterte und ihn Measure gab. Measure öffnete ihn. Er enthielt Pemmican und getrockneten Mais, den er unterwegs lutschen konnte.
    »Kommst du mit?« fragte Measure.
    »Ich gehe mit Ta-Kumsaw«, sagte Alvin.
    »Ich hätte es durch das Gatlopp schaffen können«, sagte Measure.
    »Ich weiß«, erwiderte Alvin.
    »Wenn er es mich nicht durchlaufen lassen wollte«, fuhr Measure fort, »warum hat der Prophet es dann überhaupt geschehen lassen?«
    »Das verrät er

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