Der Rubin der Oger
zerschmettert. Haran hatte sich gerade noch rechtzeitig nach hinten abgerollt und hockte nun vor dem klaffenden Loch.
»Du beleidigen Tabal. Beleidigen tote Oger!«, brüllte Rator und griff nach seiner Streitaxt.
Haran stand auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Miene zeigte keine Furcht, und auch seine Haltung zeigte keine Unsicherheit.
»Werden kämpfen für Ehre von Tabal und Rolgist«, brüllte Tastmar. »Zerschmettern Hüttenbauer. Werden haben Angst.«
»Das ist albern«, entgegnete Haran ruhig. »Dein Tod würde Prios genauso wenig ehren wie Tabal.«
Rator lachte verächtlich. »Glauben, du besiegen Oger?«
»Schon wieder ein Trugschluss. Mein Handeln auf dieser Welt hat nichts mit Glauben zu tun. Wenn ich meine Klinge ziehe, weiß ich, dass mein Feind stirbt.«
»Du kämpfen gegen Tastmar. Er fordern Ehre zurück«, beschloss Rator. »Kampf nach Regeln von Oger. Nur Knüppel zum Schlagen. Kampf gewonnen, wenn Gegner am Boden. Verlierer müssen bitten Verzeihung.«
Haran sprang vom Heuboden herunter und landete sicher auf den Beinen. Seine Geschicklichkeit stand außer Frage, doch neben Tastmar wirkte er wie ein Kind.
»Hört sich an wie ein Duell bei Hofe. Dort will sich auch niemand die Finger schmutzig machen oder ernsthaft verletzen. Mir soll es Recht sein. Doch wenn ich gewinne, brauche ich keine Entschuldigung. Ich will das Kommando übernehmen, bis wir in Turmstein sind.«
Rator wirkte verunsichert. Was hatte dieser Hüttenbauer vor? Aber das Wichtigste war, rechtzeitig in Turmstein anzukommen und dort auf den Mann ohne Schuhe zu treffen. Er nickte, wenn auch zögerlich.
»Kampf draußen vor Scheune. Suchen Knüppel«, befahl Rator.
»Findest du nicht, dass der Kampf etwas unfair ist?«, meldete sich der Zwerg zu Wort.
»Warum? Beide nicht Kämpfer, beide nur Knüppel«, brummte Rator.
Haran hatte sich mittlerweile eine biegsame Latte besorgt und überprüfte deren Gewicht und Stabilität. Er schnitzte einige Riefen in das Ende und umwickelte es mit einem Fetzen Stoff. Mit der behelfsmäßigen Waffe schlug er ein paar Mal nach links und rechts, als hielte er einen Degen in der Hand. Dann nickte er zufrieden.
Tastmar ging bei der Wahl seine Waffe anders vor. Er durchforstete die Scheune nach dem größten und schwersten Balken, den er finden konnte. Schlussendlich musste er, um die Scheune nicht gänzlich unbrauchbar zu machen, darauf verzichten, einen Balken aus der Zwischendecke zu reißen. Er begnügte sich mit einem Holm der zerbrochenen Leiter.
Dranosil schnalzte mit der Zunge. »Ich glaube, Haran wird keine Minute durchhalten. Der Oger wird ihn ungespitzt in den Boden rammen.«
»Haran wird den Kampf gewinnen«, ertönte Wulbarts Stimme.
Dranosil und Rator drehten sich zu dem Barbaren um und schauten ihn ungläubig an.
»Du glaubst wahrscheinlich, der Mensch wird ihn mit seinem Stöckchen so lange pieken, bis er vor Lachen aufgibt, was?«, witzelte Dranosil.
»Nein, ich glaube, er wird ihn zu Fall bringen. Haran wusste, was er tat, als er den Oger beleidigt hat. Seine Worte zielten genau darauf ab. Er wollte diesen Kampf, und er weiß, dass er ihn gewinnen wird. Für ihn war es die einzige Chance, uns dorthinzubringen, wo er uns haben will. Aus welchem Grund auch immer.«
Rator besah sich den schmächtigen Mann noch einmal. Er wirkte unscheinbar, strahlte aber dennoch Selbstsicherheit aus. Seine Statur hatte nichts gemein mit dem gestählten Körper eines Kriegers. Auf dem Schlachtfeld wäre er ihm sicherlich nicht aufgefallen. Aber immer noch hatte er das Gefühl, den Mann zu kennen.
»Wir werden sehen«, knurrte er.
Schnell hatten sich alle unter dem schmalen Vordach der Scheune versammelt. Fackeln erhellten den Schauplatz und ließen den Vorhof wie eine kleine Arena wirken. Noch immer regnete es, und die Tropfen weichten den mit Lehm befestigten Boden weiter auf.
Tastmar hatte seinen Platz bereits eingenommen. Mit lautem Gebrüll schlug er den Holm in der Luft hin und her.
»Was, kleiner Mann haben Angst vor Regen?«, verhöhnte der Oger seinen Gegner.
Und tatsächlich, Haran stand im Scheunentor und betrachtete missmutig das Wetter. Seine Schuhe hatte er ausgezogen und neben einen klapprigen Flügel des Scheunentors gestellt. Er streifte die Jacke ab und knüpfte sein Hemd auf. Nachdem er beides ordentlich gefaltet und auf ein leeres Fass neben seinen Schuhen abgelegt hatte, krempelte er sich die Hose hoch. Vorsichtig streckte er den Kopf unter dem
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