Der Rubin der Oger
Vordach hinaus und sah in den nächtlichen Himmel.
»Du lieber warten, bis Regen aufhören?«, spottete Rator.
»Nein, ist schon gut. Hauptsache, meine Kleidung wird nicht nass und dreckig. Wir haben immerhin noch einen langen Weg vor uns«, erwiderte Haran ernst.
»Du glauben, du können gehen nach Kampf?«, fragte Tastmar drohend und schwang sein Holz wie einen Tambourstab.
Haran überging die Bemerkung und trat dem Oger entgegen. Er drehte seine Füße im Schlamm und versuchte, besseren Halt auf dem rutschigen Untergrund zu finden. Pfeifend ließ er seine hölzerne Waffe durch die Luft peitschen. Mit einem Nicken zeigte er seinem Gegner, dass er bereit war.
Rator zögerte noch einen Moment. Er wollte vermeiden, dass dem Menschen ein glücklicher Schlag gelang und der Kampf dadurch ein frühes und unerwartetes Ende fand. Haran wirkte äußerst konzentriert. Rator kamen Zweifel, ob er den Menschen nicht vielleicht doch unterschätzt hatte. Dieser war zwar nicht muskelbepackt, machte aber dennoch einen durchtrainierten Eindruck. Seine Bewegungen waren kraftvoll und geschmeidig. An Schulter und Rücken hatte er zwei handtellergroße Narben, die von der Form her entfernt an ein Spinnennetz erinnerten.
Das Publikum wurde langsam ungeduldig. Rator wollte die wartenden, angetrunkenen Seeleute nicht länger auf die Folter spannen. Er befürchtete, dass es sonst zu einem allgemeinen Kräftemessen zwischen Hüttenbauern und Ogern kommen könnte.
»Kämpfen!«, brüllte er den beiden Kontrahenten zu. Sogleich begannen die Seeleute mit lallenden Anfeuerungsrufen für Haran. Die Oger waren etwas zurückhaltender. Sie stampften und klopften in monotonem Rhythmus, um ihren Favoriten zu unterstützen.
Tastmar stürmte sofort auf Haran los. Beidhändig schlug er mit dem Holm nach seinem Gegner. Haran sprang zur Seite und ließ den Oger ins Leere laufen. Mit zwei kraftvollen Schlägen traf er Tastmars Oberschenkel. Er wirbelte herum und sah, dass Tastmar Schwierigkeiten hatte, zum Stehen zu kommen. Die beiden Treffer konnten dem Oger nichts anhaben, nur seine Wut steigerte sich. Schnaubend standen sie sich wieder gegenüber. Tastmar arbeitete sich langsam vor und schwang den Holm beidhändig hin und her, um Haran zurückzudrängen und einen plötzlichen Vorstoß von dessen Seite zu verhindern. Der Mensch wich mit kleinen Sprüngen rückwärts aus und versuchte, aus der größeren Reichweite des Ogers zu bleiben. Sein Blick folgte der Waffe, und in Gedanken schien er die Zeit zwischen zwei Schlägen zu zählen. Tastmar gewann immer mehr an Boden und trieb seinen Gegner allmählich in die Enge. Er lenkte ihn rückwärts auf die Scheunenwand zu. So einfach war Haran allerdings nicht zu überlisten. Er nutzte die Zeit zwischen zwei Schlägen und sprang mit einem Satz auf den Oger zu. Ein kräftiger Hieb über Tastmars Wange brachte dessen linkes Auge zum Tränen. Und schon tauchte Haran unter dem nächsten Schlag hindurch und stand wieder im Rücken seines Gegners.
Zwei weitere Hiebe mit dem degenartigen Stock bescherten Tastmar blutige Striemen auf dem Rücken. Brüllend wirbelte der Oger herum. Haran war bereits wieder außer Reichweite und begann das Spiel von vorne. Tastmar erhöhte das Tempo der Schläge, um einen erneuten Vorstoß des Menschen zu verhindern. Immer wütender preschte Tastmar vor. Haran konterte mit einer ähnlichen Taktik wie zuvor. Diesmal sprang er über den heranschnellenden Holm hinweg und verpasste Tastmar einen Schlag auf den Bauch. Geschickt tauchte er wieder unter dem zurückschnellenden Holz weg und schlüpfte an der Seite des Ogers vorbei in dessen Rücken. Er wollte gerade zum Schlag ausholen, als Tastmar den Holm um seine Hüfte kreisen ließ und Haran mit dem Ende voll an der Brust erwischte. Der Mensch taumelte rückwärts und prallte mit der Schulter gegen die Scheunenwand. Tastmar ließ keine Zeit verstreichen und setzte mit wirbelnden Schlagkombinationen nach.
Harans einzige Chance lag in einer Gegenattacke. Er wich einem Schlag aus, rollte sich ab und entging dem Angriff um Haaresbreite. Verzweifelt schlug er nach seinem Gegner und traf erneut den Oberschenkel. Dann drückte er sich mit den Beinen von der Holzwand ab und schlitterte auf dem Rücken liegend zwischen den Beinen des Ogers hindurch. Ein weiterer Schlag auf den Steiß ließ Tastmar leicht nach hinten einknicken. Haran sprang hoch und trat dem Oger gleichzeitig in beide Kniekehlen. Tastmars Beine knickten weg, und er verlor
Weitere Kostenlose Bücher