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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbuelt
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schwer, sich hier zu bewegen. Doch am schlimmsten war die Hektik. Nichts schien in Ruhe geregelt werden zu können. Normale Unterhaltungen wurden schreiend geführt und einfache Botengänge im Dauerlauf erledigt. Mogda waren kleinere Städte lieber. Die Bevölkerung dort bestaunte die Oger eher, statt sie misstrauisch zu beäugen. Den kleinen Ausrutscher in Osberg überging er großzügig.
    »Eine Nacht ist wie die andere«, wiederholte Mogda in Gedanken. »Nur gleicht leider nicht ein Busch dem anderen.«
    Die ersten Sonnenstrahlen enthüllten sein in der Nacht für gut befundenes Versteck als äußerst mangelhaft. Er hatte es tatsächlich geschafft, in dem gerodeten Gebiet vor den Stadttoren einen alleinstehenden Busch ausfindig zu machen, der sich bei Tage jedoch als ein zu klein geratener Trommelbeerenbusch entpuppte. Das fast blätterlose Gestrüpp mit seinen rötlichen Beeren hätte eher einen roten Drachen verstecken können als einen in Grün und Braun gekleideten Oger. Als Mogda seinen Irrtum bemerkte, bemühte er sich darum, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Er hoffte, dieses Verhalten ließe ihn von der Stadtmauer aus wie einen Stein erscheinen.
    Mogda hätte Turmstein auch ganz normal betreten können, doch seine Erlebnisse in dem kleinen Bauerndorf hatten die Befürchtung in ihm geweckt, auch hier nicht willkommener zu sein. Das Land der Menschen wurde angegriffen, und jetzt machten sie vermutlich jeden dafür verantwortlich, der anders war als sie. Und Mogda war zweifelsohne anders.
    Sein momentanes Versteck verdammte ihn zur Untätigkeit. Er musste sich damit begnügen, die Stadtmauern und das Nordtor weiter zu beobachten. Bei Anbruch der Nacht würde er einen anderen Weg suchen; einen besseren, wie er hoffte. Falls er nicht hineinkommen oder in der Stadt verhaftet werden sollte, hätte sich die Suche nach den Elfen vermutlich erledigt. Er hatte schon viel über Tribert von Sigurt gehört, und er wusste, dass der junge Lord nicht viel vom Bündnis der Oger und Menschen hielt. Jetzt, nach dem Tod des Königs, hatte er alle Handhabe, einen dahergelaufenen Oger für immer in seinem Kerker verschwinden zu lassen. Solange kein neuer König gefunden war, würde Mogda keine Fürsprecher finden und im Gefängnis versauern – wenn es gut lief.
    Der Oger hatte sich bereits damit abgefunden, den Rest des Tages mit eingeschlafenen Beinen bei Nieselregen hinter dem zu klein geratenen Busch hocken und einen Felsen imitieren zu müssen, als er hinter sich entferntes Pferdegewieher hörte. Durch langsames Drehen des Kopfes rückte nach und nach ein Gespann in sein Blickfeld. Es war kein Gespann im eigentlichen Sinne, sondern eher eine unglückliche Zusammenstellung der traurigen Überreste eines Heuwagens, die von den ältesten Maultierzwillingen gezogen wurden, die Mogda je gesehen hatte.
    Er erkannte seine Chance. Mit etwas Glück war der Wagen auf dem Weg in den Süden, und er konnte im Schatten der hohen Heuladung sein Versteck ungesehen verlassen. Die ärmliche Bauernfamilie saß dicht zusammengedrängt vorn auf dem Kutschbock. Er brauchte nur zu warten, bis der Karren seine Höhe erreicht hatte, dann konnte er neben ihm herschleichen, bis er aus der Sichtweite der Wachen war. Wichtig war nur, dass niemand einen Oger sah, der fluchtartig sein Versteck verließ.
    Mogda verharrte regungslos in seinem Versteck und hatte Glück. Der Wagen fuhr tatsächlich auf dem holprigen Feldweg entlang der Stadtmauer Richtung Südwesten. Der Oger kauerte dicht an den Boden gepresst, hatte den Kopf eingezogen und versuchte, die Luft anzuhalten. Polternd hörte er die verschlissenen Räder des Karrens näher kommen. Unendlich erschien ihm die Zeit, die die beiden altersschwachen Esel brauchten, um die letzten fünfzig Meter zurückzulegen. Statt langsam vorbeizuziehen, stoppte das Gespann auf Höhe des Kutschbocks genau neben ihm. Mogda geriet in Panik. Hatten ihn die Leute entdeckt und den Wachen gewunken, oder war es nur ein dummer Zufall? Er hatte Schwierigkeiten, seine Atmung ruhig zu halten, dafür waren seine Beine aber soweit eingeschlafen, dass er sie nicht mehr spürte. Was für ein Schlamassel! Hob er den Kopf und wurde entdeckt, würden seine Beine beim Versuch zu fliehen versagen. Hockte er weiterhin regungslos im Gebüsch, während die Wachen nahten, wäre er eine leichte Beute. Vorsichtig drehte er den Kopf, um zu sehen, was neben ihm vorging. Die Esel hatten bislang noch keine Notiz von ihm genommen, und Mogda

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