Der Rubin der Oger
Niemand glaubte wirklich daran, doch diese Erklärung war einfach zu begreifen und warf keine weiteren Fragen auf.
Dennoch war unbestreitbar, dass der Regen viele Schwierigkeiten mit sich brachte. Händler hatten Probleme, ihre Waren mit Pferd und Wagen über die aufgeweichten Straßen zu schaffen. Flüsse traten über die Ufer und überschwemmten die Felder. Reisenden machte das Wetter ebenso zu schaffen, denn viele Wege waren unpassierbar geworden, und nasse Kleidung machte jeden Schritt zur Strapaze.
Die neun Oger und ihre rund fünfzig Begleiter hatten sich etwas abseits des Weges einen Lagerplatz in einem verlassenen Heuschober gesucht. Neben der Besatzung von Kapitän Morrodak und einigen Leuten aus Sandleg hatten sich ihnen auch sechs Zwerge angeschlossen.
Menschen und Zwerge hatten es sich auf dem Zwischenboden des Schobers gemütlich gemacht und nutzten die Strohreste, um sich ihre Schlafplätze einzurichten. Rator und die anderen Oger hockten auf dem kahlen Lehmboden und genossen die Wärme des Lagerfeuers. Tastmar hatte die untersten Sprossen einer morschen Leiter erklommen und eine Hand voll Stroh ergattert, die er beim Schlafen unter sein Haupt legen konnte. Die herausgebrochenen Sprossen legte er nun kommentarlos auf das Feuer.
Die Zwerge machten keinen Hehl daraus, dass sie ihre Mahlzeiten lieber warm zu sich nahmen. Also wagten sie den Weg nach unten und gesellten sich zu den Ogern, um ihre langen Stöcke mit aufgespießten Leckereien in die Flammen zu halten. Rator und den anderen lief das Wasser im Munde zusammen, als ihnen der Geruch von brutzelndem Speck, Käse und Pilzen in die Nase stieg. Die Gastfreundschaft der Zwerge gebot ihnen, an einem fremden Feuer ihr Essen zu teilen, auch wenn es dabei nicht unbedingt gerecht zugehen musste. Dankbar stopfte sich Rator einen säuberlich bestückten Spieß in den Mund und kaute genüsslich darauf herum. Etwas zu spät erkannte er, dass die Zwerge das Holz in der Mitte nicht mitaßen, doch dem Geschmack tat dies keinen Abbruch, und so brummte er zufrieden vor sich hin. Allerdings machte der Nachgeschmack der kleinen Köstlichkeit jeden weiteren Bissen des knochenharten Dörrfleischs zur Tortur. Missmutig betrachtete Rator den durch Salz und Trockenheit verkrümmten Fleischbrocken in seiner Hand. Die Geste der Zwerge erwidernd, reichte Rator das Fleisch einem der Bärtigen. Freudig nickend griff der Zwerg zu. Aus seinem Proviantbeutel zog er eine faustgroße Tonschale mit bräunlichem Fett hervor, bestrich damit den Happen und garnierte ihn mit einem Pilz und etwas Käse, bevor er alles zusammen auf einen Spieß drückte und über dem Feuer röstete.
»Ich heiße Dranosil«, stellte sich der Zwerg vor.
»Rator.«
»Rator, glaubst du, dass wir in Turmstein auf die dunklen Elfen treffen? Und glaubst du, dass wir dort Rache nehmen können?«
Der Kriegsoger hatte Schwierigkeiten, seinen Blick von dem Leckerbissen über dem Feuer abzuwenden. Der Käse war mittlerweile geschmolzen und hatte Fleisch und Pilz eingehüllt.
»Dunkle Elfen sehr viele«, sagte Rator. »Anführer sehen aus wie Mensch, aber sein Dämon. Waffen können nicht verletzen.«
Dranosil zupfte an seinem Bart, strich ihn wieder glatt und verzwirbelte dann die Enden geschickt mit einer Hand.
»Sie haben unser Reich zerstört, König Braktobil getötet und uns unserer Heimat beraubt. Und die Menschen haben ein ähnliches Schicksal erlitten. Wir suchen Rache.«
Die Worte rissen Rator aus seinen Gedanken.
»Oger niemals scheuen Kampf. Nicht suchen Ausrede«, grollte Rator. »Suchen Mann ohne Schuhe, und wenn finden, wir kämpfen.«
»Tut mir leid, meine Worte sollten dich nicht verletzen. Ich wollte nur verstehen, warum ihr solchen Hass hegt. Die Überschwemmung der Roten Wüste hat gewiss Opfer in den Reihen der Oger gefordert, doch ihr seid nicht zum Krieg gezwungen.«
»Wir nicht hassen Gegner.«
»Warum tut ihr dann all dies hier?«, fragte Dranosil verblüfft.
»Rator gesehen Mann ohne Schuhe und gewusst, müssen töten.«
Dranosil schüttelte den Kopf. »Und das reicht, um dein Leben und das deiner wenigen Begleiter aufs Spiel zu setzen?«
»Nein, werden nicht sein wenig. Werden sein ganzes Volk. Kruzmak morgen aufbrechen zu Drachenhorst. Kommen wieder mit Armee.«
Dranosil nahm den Spieß vom Feuer und steckte ihn neben sich in den lehmigen Boden.
»Auch wenn König Wigold tot und das Land von Elfen bedroht ist, werden es die Menschen nicht zulassen, dass ihr mit einer
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