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Der Ruf der Finsternis - Algarad 2

Der Ruf der Finsternis - Algarad 2

Titel: Der Ruf der Finsternis - Algarad 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
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Händen trug er ein verschnürtes Bündel.
    Der Südländer war durchaus eine imposante Erscheinung, wie Eilenna kurz bei sich dachte, doch sofort verdrängte sie diesen Gedanken beschämt aus ihrem Bewusstsein. Obwohl es den Sitten Algarads entsprochen hätte, sich zu erheben, blieb sie sitzen und schenkte ihm nicht einmal ein Kopfnicken, sondern schaute an ihm vorbei aus dem Fenster auf die kleinen Wolken, die am blauen Himmel ihre Bahnen zogen.
    Thut Thul Kanen ließ sich von ihrer Unhöflichkeit nicht provozieren, sondern lächelte, wie er es immer tat, wenn das Mädchen ihm seine Ablehnung so offensichtlich zeigte.
    »Ich sehe, du trägst neue Kleider, welche dir die Dienerinnengebracht haben. Sie unterstreichen deine Schönheit«, sagte er in ehrlicher Bewunderung.
    Die fließenden Gewänder aus feinem Stoff lagen angenehm auf der Haut und spendeten Kühle, was Eilenna in Anbetracht der Hitze, die von draußen hereindrang, als wohltuend empfand. Purpurrot und ein sattes dunkles Blau waren die vorherrschenden Farben der Kleidungsstücke, sie waren durchwirkt von dünnen Gold- und Silberfäden; auf einem Markt in Algarad wären sie wohl unbezahlbar gewesen. Eilenna musste sich insgeheim eingestehen, dass ihr die Kleider gefielen und sie sie gerne trug.
    »Was führt Euch zu mir?«, fragte sie kühl.
    Eine Weile antwortete er nichts und blickte sie nur an, dann räusperte er sich, als würde ihm bewusst, wie ungebührlich sein Verhalten war. »Verzeih, aber deine Schönheit verzaubert mich immer wieder aufs Neue. Ich bin gekommen, um dich zu einer Audienz König Hetats zu geleiten. Ich habe ihm von dir erzählt, und er möchte dich gerne sehen.« Er legte das Bündel in seiner Hand auf einen kleinen Ebenholztisch an ihrer Seite und öffnete es. »Dies ist ein schlichtes Übergewand, das ich dich bitte anzuziehen. Alle neuen Frauen bei Hofe tragen es, wenn sie vor den König gebracht werden.«
    »Denkt nur nicht, ich ließe mich wie eine Sklavin vorführen«, fauchte Eilenna, von einer Welle plötzlich ansteigenden Zorns erfasst. »Ich denke nicht daran, Eurem König meine Aufwartung zu machen!«
    Thut Thul Kanen seufzte, doch anstatt ebenfalls wütend zu werden, antwortete er mit einer Spur von Verbitterung und Resignation. »Du kannst dir und mir das Leben weiterhin schwermachen, aber ich sage dir, dass das Leben in Shon dann zur Hölle werden wird. Wenn du König Hetat respektlos gegenübertrittst,wird er dich nicht anerkennen, und du läufst Gefahr, in die Wohnbereiche der niederen Frauen und Sklavinnen geschickt zu werden. Dort könnte ich nichts für dich tun.«
    »Ich habe nicht darum gebeten, hierhergebracht zu werden und unter Eurer Obhut zu stehen!«
    »Aber du kannst alles dafür tun, dass dein Schicksal nicht noch schlimmer wird«, sagte er in einem Tonfall, der schon sehr viel gereizter klang. »Du wirst jetzt diesen Umhang anlegen und mit mir kommen, ich dulde keine Widerrede!«
    Ihrer beider Blicke maßen sich. Je länger sie in seine dunklen Augen blickte, desto deutlicher gewann sie den Eindruck, als lauere ein Raubtier aus den Wüsten Shons in seinem Geist, dessen Zorn sie besser nicht auf sich zog. Ihr wurde klar, dass es auch für sie Grenzen gab, die sie nicht überschreiten durfte, sondern lieber tat, was er von ihr verlangte. Wenn sie auch weiterhin eine Flucht in Erwägung ziehen wollte, durfte sie sein Wohlwollen nicht verlieren und musste tun, als gehorche sie ihm.
    Langsam erhob sie sich und breitete den weiten Umhang über ihre Schultern. Der lange Stoff war zwar fein gewebt, doch farblos und verhüllte die edlen Kleidungsstücke darunter. Eilenna schloss eine goldene Brosche an ihrem Hals und trat mit hoch erhobenem Haupt vor Thut Thul Kanen, der sie die ganze Zeit beobachtet hatte. Sein düsterer Gesichtsausdruck war wieder einem Lächeln gewichen, in dem eine Spur von Stolz zu erkennen war.
    »So bring mich also vor deinen König«, sagte sie würdevoll. »Er soll mir seinen Segen geben.«
    »Er wird uns seinen Segen geben«, verbesserte sie Thut Thul Kanen. Eilenna zuckte zusammen. Was meinte er damit? Bevorsie ihn fragen konnte, ergriff er ihre Hand und führte sie aus den Gemächern des Wohnturms hinaus ins grelle Sonnenlicht.

43
    In Meledin, der stolzen Hauptstadt Algarads, herrschte heilloser Aufruhr. Dronth-Brecher griffen an! Eine derart entsetzliche Nachricht hatte es seit vielen Jahren, sogar Jahrzehnten, nicht mehr gegeben!
    Eilig hatte man die Bevölkerung und das Vieh aus

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