Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
»Es gibt Bereiche, die durch Magie abgeschirmt sind, wie zum Beispiel Achests Festung oder der Raum der Stille im Labyrinth, in dem das Buch des Meisters liegt. Es gibt vielerorts magische Barrieren, die nicht einmal ein Dan-Ritter überwinden kann.« Mahnend hob er den Finger. »Die Kunst der akralith darf niemals leichtfertig angewendet werden, denn sie birgt eine ganze Reihe von Gefahren. Du musst unbedingt Folgendes beachten: Wenn du dich zu lange außerhalb deines Körpers aufhältst, kann es sein, dass du den Weg zurück nicht mehr findest. Ein dünner silberner Faden, den wir agni nennen, hält die Verbindung zum Körper aufrecht. Doch das agni verblasst, wenn man sich zu lange im Zwischenreich aufhält, und löst sich schließlich ganz auf. In solch einem Fall ist es dem Seelenreisenden unmöglich, in seinen Körper zurückzukehren, er wird für alle Ewigkeit außerhalb davon gefangen sein und ruhelos zwischen den Welten umherwandern. Nur eine letzte Rettung gibt es, solange das silberne Band des agni noch nicht gänzlich verloschen ist: Ein starker körperlicher Schmerz kann die Seele wieder zurückreißen, allerdings ist das äußerst gefährlich und kann dazu führen, dass man dem Wahnsinn verfällt.«
Tenan hatte noch allzu gut in Erinnerung, wie Dex ihn mit der gleichen Methode zurückgeholt hatte, als er sich damals fast im Zwischenreich verloren hätte. Der Fisk-Hai hatte ihm sein Messer so schmerzhaft in die Hand gebohrt, dass er aus dem Raum der Stille in Gedankenschnelle in seinen Körper zurückgeschleudert worden war.
»Wenn wir nun gleich mit der ersten Übung beginnen, werde ich dich begleiten und dich führen«, fuhr Dualar fort. »Später dann, wenn du alleine eine Seelenreise unternimmst, wirstdu selber auf dich aufpassen müssen und den rechten Zeitpunkt zur Rückkehr selbständig bestimmen. Ich kann dir dann nicht mehr helfen.«
»Wie lange kann man sich gefahrlos in den Zwischenwelten aufhalten?«
»Das hängt von deiner Seelenkraft ab. Geübte Sphärenwanderer können mehrere Stunden außerhalb des Körpers verbringen, je nachdem, wie stark sie mit ihrem dhorin verbunden sind. Wie immer bildet es die Grundlage unserer Magie, weswegen wir jede Seelenreise mit der Einstimmung auf das innere Wesen beginnen. Versuche also, deinen Geist zu entspannen und dich empfänglich zu machen für die Kraft, die seit jeher in dir ruht ...«
41
Amberon, Erzmagier, Heerführer und Vertrauter des Hochkönigs von Algarad, starrte Lord Exan entsetzt an, der atemlos in die Kapitänskajüte am Heck des Dronth-Brechers gestürmt war, um ihm eine eilige Botschaft zu überbringen. »Was habt Ihr da gesagt, Lord Exan?« Üblicherweise war er durch nichts aus der Ruhe zu bringen, aber die Nachricht Exans traf ihn unvermutet und bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Er hatte den jungen Dan bereits vor einigen Wochen mit der Aufgabe betraut, mithilfe eines Cerele die Befehlshaber der Garnisonen aller Inseln Algarads zu kontaktieren und ihn unverzüglich über sämtliche Vorgänge im Reich zu informieren. Seitdem zog sich Exan des Abends regelmäßig in sein Quartier zurück, tauschte Botschaftenaus und unterrichtete die Daheimgebliebenen über die Fortschritte des ausgezogenen Heeres.
Bislang hatte der Dan keine besonderen Vorkommnisse aus der Heimat melden können, doch was er Amberon eben mitgeteilt hatte, glich einer Katastrophe!
Exans Züge spiegelten seine eigene Verwirrung und Besorgnis, aber auch seinen Zorn wider.
»Ihr habt richtig gehört, mein Lord: Die Werften von Ealgronth wurden von Dronth-Brechern angegriffen und zerstört! Soeben erhielt ich die Nachricht von Lord Yatar, der in der Schlacht schwer verwundet wurde.«
»Was ist mit der Flotte im Hafen?«
»Vernichtet«, sagte Exan matt. »Alle Schiffe fielen den Flammen zum Opfer. Die Gredows wagten nicht, Mann gegen Mann zu kämpfen und blieben feige auf ihren Dronths – sie wussten, dass sie gegen Dan-Ritter nicht gewinnen würden.«
Amberon sank in sich zusammen, als sei er verwundet worden. Dem Todesfürsten war es gelungen, seine Pläne zu durchkreuzen. Die in Ealgronth stationierten Dan-Krieger saßen fest und konnten auch das dringend benötigte Kriegsgerät nicht nach Caithas Dun transportieren; die Streitkräfte würden in der anstehenden Belagerung schmerzlich vermisst werden.
»Leider ist das noch nicht alles, Lord Amberon.« Exans Stimme holte den Erzmagier aus seinen Gedanken in die Kajüte zurück. Der junge Dan-Lord
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