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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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behauptete zwar, dass der Großvater sie auf seine verhaltene preußische Art wohl mochte, nur war er offensichtlich unfähig, es zu zeigen. Mögliche Liebe verbarg er erfolgreich hinter äußerster Strenge und eisenharter Disziplin. Dazu ließ er all seinen Unmut an ihrer Mutter Rachel aus. Er hatte ihr nie verziehen, dass sie sich von seinem einzigen Sohn hatte schwängern lassen. Denn erstens war sie katholische Irin, und zweitens war sie ohne anständige Familie und somit nicht standesgemäß. Allein der Gedanke daran empörte Jella, und sie blies eine ihrer roten Locken aus ihrem Gesicht.
    Baron Gernot von Sonthofen hatte die hochschwangere Rachel vor vielen Jahren nicht etwa aus Pflichtgefühl bei sich aufgenommen, sondern weil er sich in seiner Verbitterung an ihr dafür
hatte rächen wollen, dass sein einziger Sohn ihn verlassen hatte. Johannes von Sonthofen, Jellas Vater, hatte mit ihm im Streit gebrochen und war nach Afrika verschwunden. Seit ihrer Ankunft vor beinahe achtzehn Jahren hatte der Baron keinen Tag verstreichen lassen, an dem er Rachel nicht wie eine Almosenempfängerin behandelt hätte. Er hatte keine Gelegenheit ausgelassen, um ihr zu zeigen, wie unerwünscht sie in seinem Hause war und dass er sie nur duldete, weil sie die Mutter seiner einzigen Enkelin war. Rachel war eine stolze Frau. Trotzdem hatte sie bisher klaglos die kleineren und größeren Schikanen des verbitterten Barons ertragen. Sie wollte für Jella ein gesichertes Zuhause, das sie ihr allein nie hätte bieten können. Es hatte sie damals große Überwindung gekostet, hochschwanger, wie sie war, beim Baron aufzutauchen und ihn um Hilfe zu bitten. Doch sie hatte keine andere Lösung gesehen. Jellas Vater war nach dem schrecklichen Streit mit seinem Vater in die deutsche Kolonie Südwestafrika abgereist, um dort sein Glück als Geologe zu machen. Er hatte Rachel geschworen, sie nachzuholen, sobald er in der Fremde Fuß gefasst haben würde. Bei seiner Abreise hatte er nicht einmal geahnt, dass er sie schwanger zurückgelassen hatte. Nachdem die Schwangerschaft sichtbar geworden war, hatte Rachel ihre Stellung als Gouvernante verloren. Von einem auf den anderen Tag hatte sie schwanger und mittellos auf der Straße gestanden. Um nicht mit ihrem Kind als Obdachlose in den Gassen Berlins zu verkommen, war ihr gar keine andere Wahl geblieben, als sich an Johannes’ Vater zu wenden in der Hoffnung, dass Johannes sie und ihre kleine Tochter eines Tages nach Deutsch-Südwestafrika holen würde. Achtzehn Jahre waren seither vergangen. Aber Johannes von Sonthofen hatte sich nie gemeldet.
    Jella hätte ihrem Großvater eigentlich dankbar sein müssen. Schließlich hatte er für ihren Unterhalt gesorgt und ihr eine Schulbildung ermöglicht. Nachdem Jella die Höhere Töchterschule als
Beste abgeschlossen hatte, erlaubte er ihr sogar, das Gymnasium zu besuchen. Jetzt gehörte sie zu den wenigen deutschen Mädchen, die das Abitur besaßen. Als Mann hätte ihr damit die Welt offen gestanden. Aber als Frau... Wie gern hätte Jella Medizin oder Naturwissenschaften studiert. Sie war überaus neugierig, technisch interessiert und praktisch veranlagt. Doch als sie, unterstützt von ihrer Mutter, mit ihren Wünschen und Vorstellungen zu ihrem Großvater gekommen war, hatte sie ihr blaues Wunder erlebt.
     
    »Was für Flausen!«, knurrte der Baron. »Ein Studium ist Männersache. Frauen haben sich um Haus und Kinder zu kümmern!«
    »Aber das kann ich doch immer noch nach dem Studium«, argumentierte Jella. Der Großvater strafte sie mit einem abfälligen Blick.
    »Deine Mutter hat es verpasst, dir den nötigen Anstand beizubringen. Die Regeln in diesem Haus stelle immer noch ich auf!«
    »Es geht doch nicht um Regeln, sondern um meine Ausbildung. Ich möchte Naturwissenschaftlerin werden und forschen oder, noch besser, Medizin studieren und den Menschen helfen. Dadurch werde ich unabhängig und kann für mich selbst sorgen.«
    »Was für eine aufsässige und impertinente Person du bist!«
    »Lieber Baron«, versuchte Rachel ihn zu beschwichtigen. »Meine Tochter denkt gar nicht daran, Ihren Anweisungen nicht Folge zu leisten. Sie hat nur sehr klare und, wie ich finde, vernünftige Vorstellungen davon, wie sie ihr Leben gestalten möchte. Ich bitte Sie, ihre Vorschläge wenigstens anzuhören!«
    »Papperlapapp«, schnaubte der Baron ungehalten. »Was fällt Ihnen ein, sich in meine Entscheidungen zu mischen. Jella und Sie leben unter meinem Dach und

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