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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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erkannte sie, dass es Wasser war. So viel Wasser! Welch eine Verschwendung! Hatte das Wasser das Land unter sich verschluckt? Nakeshi näherte
sich der Grenze, wo Wasser und Land aufeinandertrafen. Der Ort war noch heißer und erbarmungsloser als die Kalahari. Kein Busch, kein Baum wuchs an den Stränden, nur riesenhafte, rot leuchtende Sandberge reihten sich so weit das Auge reichte aneinander. An den Stränden entdeckte sie Skelette von großen Tieren, noch größer als die von Elefanten. Grellweiß lagen die Knochen in der sengenden Hitze der Dünen. Es mussten Ungeheuer aus dem großen Wasser gewesen sein, denn Nakeshi hatte noch nie solche Knochen gesehen. Warum waren sie gestorben? Welche Llangwasis hatten sie dorthin gelockt? Hier war kein Leben möglich. Und schon blies der Wind sie weiter. Inständig hoffte sie, dass sie nicht über dem großen Wasser, über das sie jetzt flog, abstürzen würde. Die auf und ab rollenden Wellenberge unter ihr machten ihr große Angst. Bestimmt war dieses Wasser voller böser Geister und wartete nur darauf, sie zu verschlingen! Aber Nakeshi konnte nichts tun. Sie konnte ihren Flug weder steuern noch beeinflussen, sondern wurde von dieser unsichtbaren Kraft immer weiter gezogen. Immer weiter über das stürmische Wasser, bis sie nach unendlich langer Zeit wieder Land unter sich entdeckte. Doch dieses Land war so anders als ihre Heimat! Es war felsig und saftig grün und von hohen, blauen Bergen mit weißen Spitzen durchzogen. Nakeshi musste an die Muster von geflochtenen Körben denken, die ihr Volk herstellte. Nur war alles viel bunter und farbenprächtiger. Sie hatte nicht geglaubt, dass solche Farben überhaupt möglich waren. War sie etwa doch auf dem Weg zu Kauha? Welch ein Überfluss an Nahrung es in diesem Land gab! Grünes Gras für die Antilopen und Feldfrüchte ohne Ende. Alle Joansi, ach was, alle Buschmänner der Kalahari konnten davon satt werden. Wie kam es, dass hier so viel wuchs, noch viel mehr, als wenn in der Regenzeit die Feldkost aus dem Boden spross?
    Nakeshi bemerkte, dass sie an Höhe verlor und sich ihr Flug verlangsamte. Je näher sie diesem fruchtbaren Paradies kam, umso
erschreckender und wundersamer wurde es. Sie entdeckte Dinge, die sie noch nie gesehen hatte. Viereckige Höhlen aus Stein, wie sie die weißen Menschen am Rande der Wüste bewohnten, nur viel größer. Die Höhlen standen dicht aneinander; und es waren viele - mehr, als die größte Herde in ihrer Heimat Tiere zählte. Außerdem waren sie hoch, so hoch wie Berge, und besaßen Löcher oder Augen, die gelb in die Nacht hinausblitzten. Braune Zebras liefen auf grauen Pfaden und zogen rollende Kürbisse hinter sich her. Darin eingesperrt entdeckte sie Menschen. Am unheimlichsten aber fand sie die grauen Ungeheuer, die giftig schwarzen Rauch in die Luft stießen. Sie heulten vor Anstrengung, während sie auf schmalen, glänzenden Wegen dahinstampften. Hin und wieder hielten sie an und spuckten Menschen aus ihrem Leib, um sogleich wieder andere zu verschlucken. Ein furchterweckendes Raubtier!
    Nakeshi spürte einen heftigen Ruck. Im selben Moment verlor sie an Höhe und sank herab. Mit der Kraft ihres Willens versuchte sie dagegen anzukämpfen. Doch es half nichts. Sie sank weiter hinab - dieser unheimlichen Welt mit ihren erschreckenden Steinhöhlen entgegen. Voller Entsetzen stellte sie fest, dass die Kraft sie immer schneller in Richtung Boden riss. Gleich würde sie zerschellen! Wie ein Wirbelwind raste sie auf einen Platz mit vielen Menschen zu, direkt auf eine Holzbude, aus der eine Menschentraube strömte. Nakeshi schloss die Augen. So also war das Ende!
    Doch es geschah nichts. Sie war nicht tot. Es brauchte einige Zeit, bis sie das begriffen hatte. Als sie ihre Augen wieder öffnete, befand sie sich hinter einer großen Stoffwand. Eingehüllt in den Falten des Vorhangs kauerte sie auf dem Boden. Vor ihr stand ein weiblicher Llangwasi in Gestalt einer jungen Frau mit erschreckend weißer Haut. Um ihren Kopf loderte ein roter Feuerkranz, während zwei katzengrüne Augen sie überrascht anstarrten. Nakeshi fürchtete, von ihrem weit aufgerissenen Mund verschluckt zu werden. Trotzdem griff sie nach ihr.

ERSTER TEIL
    Berlin

Lohnabzug

    Der Sommer hatte Berlin fest im Griff. Die Luft war drückend und schwül, das Sonnenlicht wurde vom gleißend weißen Staub der Straße reflektiert. Eine alte, klapprige Schindmähre quälte sich im Schneckentempo über den Mühlendamm und zog ein

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