Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
Schlaf gerissen. Mit einem lauten Schrei sprang eine Frau in den Tanzkreis. Sie wirbelte wild herum und begann ausgelassen zu singen. Es war Sheshe. Nakeshi konnte sie deutlich durch die Ritzen in ihrer Hütte erkennen. Sie schien außer sich zu sein, wild und aufreizend wie eine Raubkatze. Und sie tat Dinge, die Nakeshi entsetzten. Es war offensichtlich, dass sie die Männer erregen wollte. Mit beiden Händen presste sie ihre Brüste zusammen und bot sie anzüglich den umstehenden Männern an. Einer griff kichernd zu und versuchte mit der anderen Hand Sheshe an sich zu ziehen, um sie zu küssen. Doch die fauchte wild, kratzte nach ihm und stieß ihn hart zurück. Nakeshi rieb sich die Augen. Sie wollte nicht glauben, was sie da sah. Was war mit ihrer Tante geschehen? Welcher Llangwasi war nur in sie gefahren? Doch Sheshes Vorführung war längst noch nicht vorüber. Die Männer waren nun in ihren Gesang eingefallen. Sie sangen ein ausgelassenes Paarungslied. Die immer schneller werdenden Rhythmen und die ständigen Wechsel zwischen tiefen und hohen Tönen stimulierten Sheshe noch mehr. Sie wirbelte mehrfach um ihre eigene Achse und riss sich dann mit einem lauten Schrei ihren Hüftschurz vom Leib. Ihr Körper zuckte und ihre drallen Pobacken sprangen immer schneller auf
und ab, bis sie schließlich wie bei einem Krampf vibrierten. Mit breiten Schritten stampfte sie auf die Männer zu, bog sich nach hinten und bot ihnen schamlos ihre Öffnung dar. Dabei stieß sie obszöne Paarungsschreie aus. Nakeshi schob die Hände vor ihre Augen, um nicht weiter zusehen zu müssen. Ihre Scham wuchs mit dem lauten, begeisterten Johlen der Männer, das ihr wie geiles Brunftgestöhn wilder Tiere in den Ohren klang. Sie weinte vor Scham und Entsetzen und sehnte sich nach ihrer unbeschwerten Kindheit zurück. Doch der Krach vor ihrer Hütte ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Etwas zwang sie, doch immer wieder nach draußen zu blicken. Mit einer Mischung aus Ekel und zu ihrer Überraschung auch aufkeimender sexueller Lust beobachtete sie das ausgelassene Treiben Sheshes und der Männer. Erst im Morgengrauen fiel sie in einen kurzen, traumlosen Schlaf.
Als sie aufwachte, war es heller Tag. Sheshe tanzte immer noch. Doch ihre Bewegungen waren nicht mehr so wild und ausgelassen wie in der vorigen Nacht, sondern zitternd und schleppend, als wäre sie von einem schweren Fieber befallen. Ihre Tante befand sich in Trance. Nach und nach wachten die Frauen um das Lagerfeuer wieder auf. Sie erhoben sich verschlafen und begaben sich hinter die Rosinenbüsche, um Wasser zu lassen. Später versammelten sie sich wieder vor der Hütte und kauten an den Resten des gestrigen Festmahls herum. Nakeshi lief das Wasser im Mund zusammen, und ihr Magen knurrte erbärmlich. Zur Ablenkung starrte sie die Wände der Hütte an. Doch sie konnte an nichts anderes denken als daran, dass ihre Kehle ausgetrocknet war und ihr Magen sich vor Hunger zusammenkrampfte. Keiner hatte daran gedacht, ihr etwas zu essen oder zu trinken zu bringen. Dazu kam die Hitze. So kalt es in der Nacht gewesen war, so warm wurde es jetzt bei Tag. Trotz der schützenden Äste drückte die Sonne in die Hütte. Nakeshis Kopf dröhnte. Aber noch viel schlimmer war, dass
sie sich so ausgeschlossen fühlte. Flirrendes Licht huschte über ihr Gesicht. Es kam von den Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg in die Hütte suchten. Auf ihrem täglichen Lauf über den Himmel stach die Sonne unbarmherzig auf sie herab. Wo kam sie her? Nakeshi musste an die Geschichte denken, die Debe ihr als Kind so oft erzählt hatte. Eines Tages, vor langer Zeit, hatten die Buschmänner die Sonne auf einem ihrer Streifzüge entdeckt. Sie hatten sie als ihre Tochter erkannt. Und weil es ihre Tochter war, mussten sie sie durch die Welt tragen. Aber die Sonne war so heiß und verbrannte ihnen die Schultern, sodass sich die Männer oft beim Tragen abwechseln mussten. Als aber alle ihre Schultern verbrannt waren, konnten sie nicht mehr. Sie ließen die Sonne im Busch liegen und brachten sie nicht bis zu ihren Hütten. Der Ort, wo sie liegen geblieben war, das ist der Ort, wo die Sonne jeden Morgen aufgeht.
Nakeshi fühlte sich wie die Sonne. Man hatte sie einfach in der Hütte abgelegt.
Die Zeit zog sich wie zäher Harz an den Bäumen dahin. Die Sonne stieg bis zu ihrem höchsten Punkt, sank herab und legte sich schließlich schlafen, um einer neuen, langen Nacht zu weichen. Mit der einsetzenden Dunkelheit versammelten
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