Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
über Nakeshis Zustand zu informieren.
»Ey-ei-ey-ei!«, jubelten die beiden Buschmannfrauen. »Kommt schnell her! Unsere Nakeshi ist dabei, eine Frau zu werden!« Sie rannten aufgeregt von einer Hütte zur anderen, bis sich schließlich alle zwölf Joansi-Frauen versammelt hatten. Die erste Blutung einer Frau war immer Anlass für ein ganz besonderes Fest. Es war ein Ereignis, das Glück brachte, weil es bedeutete, dass die Gruppe um ein vollwertiges Mitglied reicher geworden war. In einem Pulk liefen sie zu dem Lederberg, unter dem Nakeshi noch immer verborgen war. Die Frauen redeten aufgeregt durcheinander und diskutierten, was sie als Erstes tun sollten. Immer wieder berührten sie Nakeshi, weil es Glück brachte, und stießen dabei laute Freudenrufe aus. Schließlich einigten sie sich darauf, dass Chuka und Goshi die neue Hütte für das Fest bauen sollten, während Sheshe mit den jüngeren Frauen Nakeshi ins Dorf trug, wo sie dann für das Ritual zurechtgemacht werden würde. Nakeshi blieb in ihrer Kauerhaltung und versuchte dabei auf den Boden zu starren. Sie musste darauf achten, dass kein Mann ihr Gesicht zu sehen bekam. Der große Kauha und seine Llangwasi waren jetzt um sie, und es war Nakeshis Aufgabe, alles zu tun, um die großen Geister sich und ihrer Sippe gewogen zu halten. Dazu gehörte auch, dass sie während ihrer ersten Blutung jeden Blickkontakt mit den Männern vermeiden musste. Was jedoch nicht hieß, dass sie nicht registrierte, was um sie herum geschah. Aus ihren Augenwinkeln heraus erkannte sie Bô, einen jungen schlanken Jäger, der vor gar nicht langer Zeit erst zu ihnen gestoßen war. Wie alle Männer und Kinder
änderte er bei ihrem Anblick rasch seine Richtung und suchte Zuflucht hinter den Hütten. Zu ihrer Überraschung klopfte ihr Herz für einen Augenblick schneller, und sie spürte eine gewisse Enttäuschung, weil sie plötzlich das Gefühl hatte, dass er sie nicht so mochte wie sie ihn. Die Frauen hörten nicht auf zu lachen und zu singen. Unter der großen Schirmakazie setzten sie Nakeshi ab. Im Schein der kleinen Lagerfeuer entkleideten sie das Mädchen und wuschen ihren nackten Körper mit einer Mongono-Nuss. Das fasrige, seifige Fruchtfleisch der Nuss verlieh ihrer Haut einen goldenen, samtigen Glanz. Anschließend wurde ihr Körper mit Bändern und Ketten aus Straußeneiperlen, bunten Samenkörnern und Federn geschmückt. Nakeshi ließ alles äußerlich reglos über sich ergehen, aber in ihrem Innersten fürchtete sie sich vor dem Unbekannten, das jetzt auf sie zukam. Während für die erwachsenen Frauen ihre erste Blutung ein riesiges Fest bedeutete, fühlte sie sich stark verunsichert und von den anderen auf eine beängstigende Art und Weise ausgeschlossen. Die Hütte, in der sie die nächsten Tage würde verbringen müssen, war nun fertig. Sie stand etwas außerhalb des Lagers, weit genug von den Männern und Kindern entfernt.
Keine der Frauen sprach mit Nakeshi, während sie sie durch die Dunkelheit zu der niedrigen Hütte führten. Sie behandelten sie, als wäre sie Luft. Selbst Sheshe war abweisend. Sie zeigte nur wortlos und ohne eine Miene zu verziehen in das finstere Innere der Behausung. Nakeshi kroch hinein. Schwarzes, kühles Nichts umschloss sie, während draußen die Frauen lärmten. Sie fror und zog zitternd den Lederumhang über sich, der ihr als einziger Gegenstand mit in die Hütte gegeben worden war. Wieder spürte sie Blut aus ihrem Schoß fließen. Nach kurzer Zeit drang das Flackern von Flammen durch die Ritzen ihrer Asthütte. Wärme spendeten sie nicht. Die Joansi-Frauen hatten in ihrer Nähe ein Feuer entzündet und sich darum tanzend und singend versammelt. Der Geruch von gebratenem Antilopenfleisch durchzog die Luft. Die
dunklen Körper der tanzenden Frauen warfen zappelnde Schatten im flackernden Schein des Feuers. Sie sahen wie bedrohliche Geister aus. Es war ein Auf- und Abebben von wilden Verrenkungen und ruhigerem Stampfen. Wieder und immer wieder, stundenlang. Nach und nach gesellten sich auch die Männer dazu. Sie umringten die tanzenden Frauen, machten ihre Späße und aßen mit ihnen von dem frisch gebratenen Fleisch. So ging es die ganze Nacht. Der Mond hatte sich längst zur Ruhe gelegt, als die Bewegungen der Frauen ruhiger und der Gesang immer monotoner wurde, bis sich schließlich die Ersten müde an Ort und Stelle zur Ruhe legten. Nakeshi war unendlich müde und schlief ebenfalls ein. Doch kurz darauf wurde sie jäh aus ihrem
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