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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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England noch einmal das Vergnügen, sie hören zu dürfen, und sie ist zweifellos eine begnadete Künstlerin. Sofern ich das sagen darf, ich bin nicht sehr musikalisch. Mich stört allerdings, wie hier Mythen aus dem Kontext gerissen werden und dass die Geschichte eines Volkes zu ... nun ja, banaler Liebeslyrik herabgewürdigt wird.«
    »Geh jetzt rein, Charlotte, und biete unserem Gast einen Drink vor dem Essen an. George muss auch bald eintreffen, Jack. Er weiß ja, dass du zum Dinner kommst. Und vielleicht befleißigt sich unsere Charlotte dabei einer etwas verständlicheren Konversation. Liebes, wenn du so geschwollen daherredest, findest du nie einen Mann!«
    Charlotte runzelte ihre glatte weiße Stirn, als wollte sie etwas Unfreundliches erwidern; dann aber schwieg sie und führte Jack bereitwillig in den angrenzenden Salon. Den angebotenen Whiskey lehnte er jedoch ab.
    »Nicht vor Sonnenuntergang«, bemerkte er.
    Charlotte lächelte. »Aber Sie sehen aus, als brauchten Sie eine Stärkung. Vielleicht einen Tee?«
    Als George Greenwood eine halbe Stunde später eintraf, fand er seine Tochter und Jack McKenzie in ein angeregtes Gespräch vertieft. Zumindest sah es auf den ersten Blick so aus. Tatsächlich rührte Jack nur in seiner Teetasse und lauschte Charlotte, die jetzt von ihrer Kindheit in englischen Internaten berichtete. Auch bei ihr klang es harmlos – und ihre singende Stimme nahm Jack tatsächlich die Sorge um Gloria. Wenn englische Internate derart engelsgleiche Wesen hervorbrachten wie Charlotte, konnte der Kleinen eigentlich nichts geschehen. Allerdings hatte Charlotte eine Schule besucht, die sich neben der geistigen auch die körperliche Ertüchtigung ihrer Schülerinnen zur Aufgabe gemacht hatte. Charlotte erzählte vom Reiten und Hockeyspiel, von Krocket und Wettläufen.
    »Und die ›künstlerisch-kreative Entwicklung‹?«, fragte Jack.
    Charlotte runzelte wieder die Stirn – auf hinreißende Art. Jack hätte stundenlang zusehen können, wie sich die Haut über ihren Augenbrauen kräuselte.
    »Wir haben ein bisschen gemalt«, meinte sie dann. »Und wer wollte, konnte natürlich auch Klavier und Geige spielen. Außerdem hatten wir einen Chor. Aber ich durfte nie mitsingen. Ich bin völlig unmusikalisch.«
    Jack konnte Letzteres nicht glauben; für ihn war jedes Wort von Charlotte wie ein Lied. Aber Musikalität gehörte schließlich auch nicht zu seinen Stärken.
    »Dann wollen wir mal hoffen, dass es der kleinen Gloria nicht genauso geht«, warf George Greenwood ein. Der hochgewachsene, immer noch schlanke, inzwischen jedoch vollständig grauhaarige Mann hatte sich einen weiteren Sessel an den Teetisch vor dem Kamin gezogen und Platz genommen. Charlotte schenkte ihm ein – sehr geschickt. »Denn ich glaube nicht, dass den Mädchen in Oaks Garden die Musikausbildung erspart bleibt. Die Martyns setzen die Schwerpunkte ihrer Erziehung zweifellos gänzlich anders als wir.«
    Jack sah George verwirrt an. Charlotte hatte von Wahlfächern gesprochen, aber bei Greenwood klang es fast so, als würden englische Schülerinnen mit Gewalt ans Klavier geschleift.
    »Diese Internate sind nicht alle gleich, Jack«, sprach George gleich weiter und dankte seiner Tochter. »Die Eltern haben die Wahl zwischen sehr unterschiedlichen Ausbildungskonzepten. Manche Schulen legen zum Beispiel größten Wert auf traditionelle Mädchenerziehung. Da lernen die Kinder nicht viel mehr als Hauswirtschaft und gerade so viel über Literatur und Kunst, dass sie später mit ihrem Mann eine Vernissage besuchen oder bei einer Teegesellschaft angeregt über die aktuellen Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt plaudern können, ohne unangenehm aufzufallen. Andere – zum Beispiel das Internat, das Charlotte und vorher Jenny besucht haben – vermitteln eine bessere Allgemeinbildung. Sie gelten zum Teil als Reformschulen, und es ist heiß umstritten, ob Mädchen Latein lernen oder sich mit Physik und Chemie beschäftigen sollen. Auf jeden Fall heiraten die Absolventinnen nicht unbedingt gleich nach dem Schulabschluss, sondern besuchen ein College oder eine Universität, sofern Mädchen dort zugelassen sind. Wie ja auch unsere Charlotte.«
    Er zwinkerte seiner Tochter zu.
    »Nun ja, und wieder andere verlegen sich halt auf die schönen Künste, was immer das bedeutet ...«
    Jack hatte zunächst aufmerksam zugehört, doch als das Wort »Heiraten« fiel, vergaß er Gloria und richtete den Blick besorgt auf Charlotte. Er sollte nicht

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