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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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sicher?«
    Jack nickte. »Ich glaube nicht, dass ich gewinnen kann. Aber ich bin dabei!« Er nahm sich ein Schergerät und suchte sich einen Arbeitsplatz. »Mal schauen, wie viel ich verlernt habe ...«
    Jack griff sich das erste Schaf und legte es mit einer routinierten Bewegung auf den Rücken. Natürlich hatte er nichts verlernt. Diese Handgriffe hatte er zehntausende Male geübt. Seine Hände flogen über den Körper des Tieres.
    Gegen Mittag war Jack zu Tode erschöpft, aber er lag zehn Schafe vor Wilkenson. In der Gesamtwertung hatte sich allerdings der Profi Rob Scheffer an die Spitze gesetzt.
    Jack ließ Gloria nicht gern allein, aber er wusste, dass er zurückfallen würde, wenn er weitermachte. Seine Lungen brannten, und er war todmüde. So entschuldigte er sich erneut mit der Arbeit an Charlottes Nachlass.
    »Und macht der Chefin keine Schande!«, sagte er mit scharfem Blick auf Wilkenson. »Miss Gloria macht das hier zum ersten Mal, aber sie wird die Farm in absehbarer Zeit übernehmen. Ich denke, zum Einstand lässt sie ein Extrafass springen, wenn ihr gewinnt!«
    Gloria warf ihm einen dankbaren Blick zu, als er hinausging.
     
    Am Abend zog Gloria sich zum Essen um, obwohl sie keine wirkliche Lust hatte, Gwyneira entgegenzutreten. Womöglich würde sie wieder über irgendetwas Rechenschaft ablegen müssen. Tatsächlich hatte Wilkenson am Nachmittag noch einmal versucht, Glorias Aufzeichnungen anzuzweifeln, aber diesmal hatte sich die gesamte Schererkolonne gegen ihn gestellt.
    »Bisher hab ich hier keine Unregelmäßigkeiten gesehen«, erklärte Rob Scheffer. »Vielleicht siehst du einfach zu, dass du schneller scherst!«
    Gloria verstand nicht ganz, warum, aber Jacks Auftritt hatte ihr Respekt verschafft.
    Müde verließ sie ihr Zimmer und war überrascht, dass Jack davor auf sie wartete. Er sah aus, als täte ihm alles weh; seine Muskeln schmerzten nach der ungewohnten Arbeit, seine Augen tränten vom Staub in den Schuppen, und als er Gloria jetzt ansprach, kämpfte er mit einem Hustenreiz.
    »Nichts Gutes mehr gewöhnt«, scherzte er, als Gloria ihn besorgt musterte. »Ich hoffe, du hast Hunger auf Grillfleisch. Ach ja, und hol dir eine Jacke. Wir essen heute mit den Scherern. Mutter hat einen Hammel gestiftet, und wir nehmen ein Fass Bier mit. Es wird Zeit, dass wir uns an den Feuern sehen lassen.«
    »Aber du ...« Gloria sprach nicht weiter. Wahrscheinlich bildete sie sich nur ein, dass Jack die Männergesellschaft seit Gallipoli mied.
    Jack nahm ihre Hand – und Gloria erschrak über die Berührung, doch sie kämpfte ihr Entsetzen nieder. Jack schloss seine Finger sanft um die ihren. »Ich schaffe das schon«, meinte er. »Und du schaffst es auch.«
     
    Gloria saß verkrampft an den Feuern der Männer und erwiderte deren Scherzworte nur einsilbig, aber das hinderte die Schafscherer nicht, sie für die Spende des Bierfässchens hochleben zu lassen. Die ältesten unter ihnen erinnerten sich sogar noch an Glorias Kindheit auf der Farm und neckten sie mit ihrer feinen englischen Internatserziehung.
    »Seid nett zu der jungen Lady!«, rieten sie den durchweg jüngeren Männern aus Schuppen drei. »Sonst läuft sie uns wieder davon. Wir haben schon nicht mehr dran geglaubt, dass Sie wiederkommen, Miss Glory. Wir dachten, Sie heiraten da drüben einen Lord und wohnen in einem Schloss!«
    Gloria schaffte tatsächlich ein Lächeln. »Was soll ich mit einem Schloss ohne Schafe, Mr. Gordon?«, fragte sie. »Ich bin genau da, wo ich hinwollte.«
    Sie befand sich in seltener Hochstimmung, als Jack sie schließlich bis vor ihre Zimmertür begleitete. Sie hatten die Lagerfeuer verlassen, als es wieder zu regnen begann. Gloria kämpfte erneut mit ihrem Haar, das durch die Feuchtigkeit noch krauser geworden war. Die junge Frau versuchte vergeblich, es zurückzustreichen, während sie Jack noch einmal dankte.
    »Du solltest es einfach abrasieren«, bemerkte Jack lächelnd und verstand nicht, warum Gloria plötzlich erblasste.
    »Du fändest es schön, wenn ich ...?«
    Jack dachte an die Bilder moderner junger Frauen mit Kurzhaarschnitt, er hatte sich nichts gedacht bei seiner harmlosen Bemerkung. Aber Gloria sah die Gesichter all der Männer, die sich von ihrem kahlen Kopf zu Handlungen angeregt fühlten, die ihr jetzt noch das Blut in den Adern gefrieren ließen.
    »Ich finde dich immer schön ...«, merkte Jack an, aber Gloria hörte es nicht mehr. Sie floh zutiefst entsetzt in ihr Zimmer und warf die Tür

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