Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
hinter sich zu.
     
    Gloria brauchte zwei Tage, bis sie Jack wieder ansehen konnte. Jack, der überhaupt nicht verstand, was los war, entschuldigte sich mehrmals, doch es dauerte seine Zeit, bis das Mädchen sich erneut entspannte. Erst da wurde ihr klar, dass Jack das Wort »Rasieren« vielleicht im Scherz gebraucht hatte, und erinnerte sich an ihren Kahlschlag als Kind. Sie schalt sich erneut für ihre Dummheit, wusste aber nicht, wie sie Jack die Sache erklären sollte. Schließlich gingen beide einfach darüber hinweg.
     
    Die Schafschur verlief inzwischen ohne weitere Zwischenfälle, und tatsächlich gewann Schuppen drei den Wettbewerb. Die Männer freuten sich riesig, aber Gloria wehrte sich heftig, als sie versuchten, die »Chefin« auf ihre Schultern zu hieven und zur Feier des Tages einmal rund um den Scherschuppen zu tragen. Jack griff schließlich ein und hielt ihr diplomatisch den Steigbügel seines Pferdes. Rob Scheffer, der Gesamtsieger, durfte Anwyl rund um die Schuppen führen, während die anderen eher laut als richtig 
She’s a Jolly Good Fellow
 anstimmten. Jack, der genau solche Komplikationen geahnt und sich nur deshalb widerwillig unter die Menge gemischt hatte, winkte ihr zu, und Gloria konnte gelöst mitlachen und feiern. Grandma Gwyn schien endlich zufrieden.
     
    Nach dem Fest, als die Schererkolonnen weiterzogen, legte sich jedoch die Euphorie. Es regnete mal wieder, und Jack und Gloria standen ratlos vor den nackten Schafen in den Pferchen. Gwyneira hatte Anweisungen erteilt, die Tiere ins Hochland zu treiben, sobald sich diese – ihrer Ansicht nach letzte – Schlechtwetterfront verzogen hatte.
    »Sie sind so dünn«, sorgte sich Gloria. »Das ist doch sonst nicht so, oder?«
    Jack stimmte zu. »Nach dem Winter mit dem knappen Futter sind sie mager. Gerade die Mutterschafe stecken ja alles in die Lämmer. Aber der Zustand ist noch nicht bedenklich. Ein paar Wochen auf der Weide, und sie sind wieder rund.«
    »Die Weide müssen wir erst mal haben«, murmelte Gloria. »Bislang frieren sie nur. Sie frieren doch, oder?«
    Jack nickte. »So dünn wie sie sind, und jetzt ohne ihre Wolle ... Es war zu früh für die Schur. Und erst recht ist es zu früh fürs Hochland. Was sagt denn Maaka zu all dem?«
    Gloria schnaubte. »Der denkt doch nur an seine Hochzeit! Und so gesehen ist es ihm durchaus recht, wenn die Schafe schon wegkommen. Dann braucht er kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn er Grandma mit den Schafen und diesem unsäglichen Wilkenson allein lässt. Der ist eindeutig auf seinen Posten aus. Aber so dumm ist Grandma Gwyn nun auch wieder nicht ...«
    »Gloria!«, mahnte Jack. »Deine Großmutter ist nicht dumm!«
    Gloria hob zweifelnd die Brauen.
    »Jedenfalls reitet Maaka bei nächster Gelegenheit nach Christchurch«, meinte sie dann.
    Retis schöne Tochter Weimarama hatte Maakas Werbung nun endlich angenommen – aber sie war Christin und bestand darauf, nach 
pakeha
-Ritus zu heiraten. Maaka war so verrückt nach ihr, dass er sich vorher sogar taufen lassen wollte. Auf jeden Fall waren umfangreiche Feierlichkeiten in und bei Christchurch geplant, und anschließend würde die Braut feierlich im 
marae
 des Bräutigams willkommen geheißen – also weitere Zeremonien bei den Ngai Tahu. Maaka hatte Gwyneira und Jack natürlich eingeladen und weitete die Einladung nach einigem Zögern auf Gloria aus.
    »Wenn Sie Lust haben, Miss Glory«, meinte er. »Ich kann Tonga und Wiremu natürlich nicht ausladen, aber ...«
    Gloria hatte halbherzig genickt. Erst mal musste das Problem mit den Schafen gelöst werden. Und da hatte sie ganz bestimmte Vorstellungen.
    »Was ist denn, wenn wir sie einfach austreiben?«, fragte sie Jack. »Auf die restlichen Weideflächen von Kiward Station. Ohne Rücksicht auf Tongas 
tapu
. Wäre das besser?«
    Jack verzog das Gesicht. »Natürlich wäre das besser. Selbst bei günstigsten Bedingungen würden wir eine Anzahl Tiere verlieren, wenn die Schafe im Hochland ablammen. Im Alpenvorland ist es deutlich kälter als hier – dazu bleiben höchstens zwei Schäfer mit den Tieren oben. Hilfe beim Ablammen gibt’s also kaum. Aber wenn wir die Mutterschafe beim Ring der Steinkrieger fressen lassen ...«
    »Auf einem anderen Stück Land, das Tonga beansprucht, gibt es Wald und natürliche Höhlen«, fügte Gloria hinzu. »Da hätten sie auch noch Unterstände. Jack, warum stellen wir Tonga und Grandma nicht vor vollendete Tatsachen? Mit den vier kleinen

Weitere Kostenlose Bücher