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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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waren am Morgen Nebel aufgezogen, und es regnete erneut.
    »Ich habe die Schafe gefunden«, erklärte der Maori kurz. »Und ich wollte dir nur sagen, dass ich es Tonga nicht erzähle. Ich hab den Vorschlag, die Tiere da rauszutreiben, schon vor drei Monaten gemacht. Nicht nur Miss Gwyn gegenüber, ich hab auch mit Tonga gesprochen. Und mit Rongo Rongo.«
    »Vielleicht noch mit den Geistern?«, erkundigte sich Jack. »Junge, du willst dich nächste Woche taufen lassen ...«
    Maaka zuckte die Schultern. »Das schafft die Geister nicht aus der Welt.«
    Jack lachte.
    »Rongo hat jedenfalls keinerlei Bedenken. Tonga hingegen führt sich auf, als würde Te waka a Maui sich gleich wieder in ein Kanu verwandeln und wegschwimmen, wenn ein Schaf ein Hälmchen geheiligten Grases frisst. Nehmt ihn einfach nicht ernst. Wenn ihr Glück habt, merkt er es erst, wenn ich weg bin, und dann kann er gar nichts machen. Allein kann er die Viecher nicht zurücktreiben, und die 
pakeha
-Kerle sind ohne Anleitung ziemlich hilflos. Wilkenson natürlich ...«
    »Der wartet nur darauf, deinen Posten zu übernehmen«, drohte Jack.
    Maaka grinste. »Wieder mal das Letzte, was Tonga will. Ein Maori-Vormann passt dem viel besser in den Kram. Wann kommst du endlich zurück, Jack? Die Farm braucht dich!«
    Jack runzelte die Stirn. »Ich bin doch hier.«
    Maaka schüttelte den Kopf. »Dein Körper ist hier«, erklärte er. »Deine Seele befindet sich an zwei Stränden, dem einen auf der Nordinsel und dem anderen in diesem Land ... ich kann nicht mal den Namen aussprechen. Jedenfalls ist es ein schlechter Ort für deine Seele. Komm endlich heim, Jack!«
     
    Um sich abzulenken, begann Jack nun wirklich mit der Durchsicht von Charlottes Sachen. Es war eine Qual, ihre Schubladen zu öffnen, ihre Wäsche herauszunehmen und in Kartons für die Armenhilfe einzuordnen. Jack stieß auf getrocknete Rosen- und Lavendelblätter und sah Charlotte vor sich, wie sie die Blüten sorgsam auf Löschpapier ausgebreitet und in der Sonne ausgelegt hatte. Er meinte noch das Lied zu hören, das sie dabei summte, und sah den Sonnenschein in ihrem Haar.
    Jack fand ihr Briefpapier – und ein angefangenes Schreiben an die Universität von Dunedin. Als er es las, traten ihm die Tränen in die Augen. Charlotte bot der linguistischen Fakultät ihre Forschungsunterlagen an. Caleb Biller hatte Recht. Sie hätte ihre Aufzeichnungen weitergeben wollen. Und sie hatte geahnt, dass sie von jener Reise auf die Nordinsel nicht mehr zurückkehren würde. Was sie nicht wissen konnte, war, dass Jack erst Jahre später ihren Nachlass ordnen würde. Er fühlte sich schuldig. Was mochte er womöglich noch entdecken?
    In der hintersten Ecke ihres Sekretärs lag ein Päckchen.
    Jack.
    Jack las seinen Namen in Charlottes großer Handschrift. Er zitterte, als er das Päckchen öffnete. Heraus fiel ihr kleiner Jadeanhänger. Also hatte sie ihn nicht im Meer verloren. Sie hatte ihn abgelegt. Für ihn. Zum ersten Mal sah Jack ihn näher an – und stellte fest, dass der Jadestein zwei Gestalten darstellte, die ineinander verschlungen waren. Papatuanuku und Ranginui, der Himmel und die Erde, bevor man sie auseinanderriss. Jack entfaltete den Zettel, in den das Amulett eingewickelt war.
     
    Denk daran, dass die Sonne erst scheinen konnte, nachdem man Papa und Rangi trennte. Genieß die Sonne, Jack.
     
    In Liebe, Charlotte.
     
    Jack beweinte Charlotte an diesem Nachmittag zum letzten Mal. Dann öffnete er das Fenster und ließ die Sonne ein.
     

8
    Auch über dem Maori-Dorf ging an diesem Nachmittag endlich einmal wieder die Sonne auf, und eine Gruppe von Männern sammelte sich zur Jagd. Wahrscheinlich hätte keiner von ihnen genau gewusst, wo Tonganun 
tapu
 ausgemacht hatte und wo nicht, aber der älteste Sohn des Häuptlings führte die Gruppe an.
    Am Abend informierte er seinen Vater über die Schafherde beim Ring der Steinkrieger.
    »Nein, das ist kein Zufall. Es sind Hunderte von Tieren. Miss Gwyn verstößt gegen die Abmachungen.«
    Am nächsten Morgen begab sich Tonga mit einer Abordnung von Männern nach Kiward Station.
     
    Gwyneira McKenzie war über ihren Papieren im Büro eingedöst. Das passierte ihr in letzter Zeit häufig. Sie war müde und mochte all den Rechnungen, Quittungen und Belegen nicht mehr die notwendige Beachtung schenken. Die Buchführung hatte sie ohnehin Zeit ihres Lebens gelangweilt. Schon lange hatte sie die Möglichkeit in Betracht gezogen, Jack oder Gloria zu

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