Der Ruf der Kiwis
Kohlebecken in die Schuppen zu stellen, um eine zusätzliche Wärmequelle für die am ärgsten gebeutelten Zuchttiere zu schaffen, und schien sich auch mit den Schäferhunden auf Anhieb zu verstehen.
Elaine schickte Hori und Carter daraufhin schlafen. Die Männer waren völlig erschöpft.
Sehr viel später erstattete sie ihrer Großmutter Bericht. Gwyneira war endlich heruntergekommen und saß am Kamin. Geistesabwesend spielte sie mit Galahad. Sie wirkte um Jahre gealtert.
»Die Männer haben zweitausend Schafe heruntergebracht, davon achthundert Muttertiere. Die Lämmer, die gestern Nacht geboren wurden, haben sie größtenteils verloren. In dem Schneesturm konnten sie nicht überleben. Aber viele werfen heute, und Jamie vollbringt wahre Wunder ...«
»Wer ist Jamie?«, fragte Gwyneira abwesend.
»Der neue Viehhüter, den Lilian aufgetrieben hat. Ach ja, und vier oder fünf weitere Maoris sind gekommen. Tim hat ihnen wegen der Sache mit Tonga die Leviten gelesen. Noch mal so eine Geschichte, und sie werden nicht wieder eingestellt ...« Elaine berichtete weiter.
Gwyneira hatte den Eindruck, dass die Leitung der Farm ihr zusehends entglitt. Es war kein schlechtes Gefühl.
13
Gloria erwiderte Jacks Kuss nicht, hielt aber still. Bevor sie die Augen senkte, streifte ihn ein Blick der Überraschung und Verwirrung.
Vor dem Zelt lag eine dünne Schneeschicht. So weit unter dem Felsdach sie auch gebaut hatten, der Wind hatte doch Schnee hineingeweht, und es war so kalt, dass er nicht taute. Auch im Tal vor den Felsen lag Schnee, aber der Teich war nicht gefroren. Er zeigte ein fahles Blau, spiegelte den blaugrauen Himmel. Ein paar Schafe tranken daraus; sie standen schmutzig grau im kotbesudelten Schnee. Allerdings schienen die meisten Tiere überlebt zu haben, und aus dem Zelt nebenan blökten die Lämmer. Unglücklich, aber zweifellos sehr lebendig. Von draußen waren Flüche zu hören. Wiremu und Paora hatten eins der Mutterschafe gefangen und versuchten jetzt, das sich heftig wehrende, halb wilde Tier für die Waisenkinder abzumelken. Andere Männer waren dabei, das Feuer neu zu entfachen, Rihari schleppte Wasser vom Teich hinauf.
»Es gibt gleich heißen Tee, Chefin! Wie geht’s Mr. Jack?«
Jack hatte gehofft, an diesem Tag wieder reiten zu können, aber nach dem Gewaltritt am Tag zuvor war es hoffnungslos. Er hatte Fieber und kämpfte schon mit dem Schwindel, als Wiremu ihm nur bis zum Feuer helfen wollte. Da hockte er dann erschöpft und versuchte, sinnvolle Pläne für den Tag zu machen.
»Also, was meint ihr? Reiten wir hinunter und bringen die Tiere und uns in Sicherheit, oder versuchen wir, die restlichen Schafe auch noch zu finden?«
»Sie können nicht reiten, Mr. Jack«, sagte Willings besonnen. »Sie hingen doch gestern schon auf dem Pferd wie ’n Schluck Wasser in der Kurve. Und da hing Ihr Leben davon ab. Sie sollten auf jeden Fall hierbleiben, bis es Ihnen besser geht.«
»Um mich geht’s nicht ...«, wehrte Jack schroff ab.
»Wir sammeln natürlich die restlichen Schafe ein«, bestimmte Gloria. »Falls noch viele überlebt haben. Aber die Viecher sind ja auch nicht dumm, und sie leben hier jeden Sommer. Wahrscheinlich kennen sie noch etliche Unterstände wie diese. Ein paar haben es sicher geschafft.«
»Aber wir sollten jemanden nach Kiward Station schicken«, meinte Paora. »Miss Gwyn wird außer sich sein vor Sorge.«
Gloria zuckte die Achseln. »Das kann ich ihr nicht ersparen«, sagte sie ungeduldig. »Wir können keinen Mann entbehren. Die Tiere müssen jetzt schnell gefunden und heruntergetrieben werden. Für die Herden hier reicht das Gras im Kessel und drumherum bis morgen früh. Sie können den Schnee wegscharren, und es wird ja auch gleich tauen. Die Pause geben wir ihnen – sie brauchen Erholung nach dem Sturm. Dann kann morgen ein Team mit ihnen absteigen, während wir die restlichen Tiere einsammeln und übermorgen nachkommen. Sofern das Wetter mitspielt. Wie siehst du das, Rihari?«
Der Maori-Fährtensucher und Wetterbeobachter schaute prüfend in den verhangenen Himmel. »Ich glaube, Tawhirimateas Wut ist verraucht. Es sieht nach Regen aus, vielleicht wird’s auch noch etwas schneien, aber der Sturm scheint vorbei zu sein.«
Tatsächlich wehte kaum noch Wind, und vor allem schien die Luft nicht mehr so spannungsgeladen. Der Tag wirkte wie ein typischer, regnerischer Morgen im Hochland. Ungemütlich, aber nicht gefährlich.
Gloria und ihre Männer trieben die
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