Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
Sachen bereitgelegt. Wenn Sie möchten, hol ich sie Ihnen.«
    Caleb wollte keine Umstände machen, aber Ben schaute wie ein Kind, dem man den Nachtisch verwehrt.
    »Es macht keine Umstände.«
    Gwyneira stieg die Treppe hinauf und bemühte sich, dabei ihre Arthritis zu ignorieren. Sie betrat das Zimmer ihres Sohnes sonst nicht ungefragt, aber sie hatte Charlottes Kladden auf seinem Tisch gesehen. Und wenn sich ihrer aller Befürchtungen bewahrheiteten, würde sie dieses Zimmer ohnehin bald sichten und ausräumen müssen. Sie atmete tief ein, als sie den Raum betrat – die gleiche Luft, die er geatmet hatte. Ihr war plötzlich schwindelig.
    Die alte Frau setzte sich auf Jacks Bett und drückte ihr Gesicht in sein Kopfkissen. Ihr Sohn. Sie hatte ihn nicht verstanden. Sie hatte nichts begriffen. Im Stillen hatte sie ihn für einen Feigling gehalten. Und jetzt kam er vielleicht nie mehr zurück.
    Schließlich nahm sie sich zusammen und griff nach den Kladden. Eine lag neben dem Stapel der anderen. Gwyneira hob sie auf – und versuchte vergeblich, den Packen Zeichnungen festzuhalten, der dabei herausglitt. Die Bilder flatterten auf den Fußboden.
    Gwyneira seufzte, machte Licht und suchte die Zeichnungen zusammen. Sie erschrak, als ein Totenkopf sie angrinste.
    Gwyneira hatte die letzte Nacht in Gallipoli verbracht.
    In dieser Nacht reiste sie mit der 
Mary Lou
 und der 
Niobe
.
     
    Am nächsten Tag hatte der Sturm sich gelegt, doch es war immer noch eiskalt. Elaine und Lilian fröstelten, als sie die Schafe und Pferde versorgten. Roly und Ben sowie die neuen Helfer schleppten Wasser. Und dann ergoss sich ein wahrer Strom nasser, frierender Schafe über die Farm. Hori und Carter waren eingetroffen. Sie hatten die ersten Herden ohne größere Verluste heruntergebracht und auch die Schutzhütte vor dem Sturm erreicht.
    »Aber wir dachten, der Wind reißt sie ab!«, berichtete Carter. »Es muss jemand raufgeschickt werden, um die Hütte zu reparieren. Das Dach ist zum Teil runtergekommen. Wir sind dann heute Morgen ganz früh los. Haben Sie eine Nachricht von Mr. Jack und Miss Gloria? Wir haben Leuchtraketen gesehen.«
    »Und dann sind Sie nicht wieder hochgeritten, um sie zu suchen, als der Sturm sich legte?«, fragte Elaine streng.
    Hori schüttelte den Kopf. »Miss Lainie, wenn da oben noch einer lebt, kommt er ohne uns zurecht. Und wenn da keiner mehr lebt ... wenigstens haben wir dann die Schafe hier gerettet.«
    Wie fast alle Maoris dachte er praktisch.
    »Leuchtraketen«, berichtete Elaine ihrem Mann. Tim überwachte im Schuppen ein paar Ausbesserungsarbeiten. »Sie haben um Hilfe gerufen, aber wir haben es nicht mal gesehen.«
    »Was hätte es genützt, wenn wir es gesehen hätten? Eigentlich seltsam, dass sie das überhaupt versucht haben. Jack musste doch wissen, dass sie zwei Tagesritte von jeder Zivilisation entfernt waren. Wenn sie nach dem Sturm geschossen hätten, wäre es logisch gewesen. Dann könnte man von einigen Überlebenden ausgehen, die Hilfe brauchen. Aber Leuchtmunition mitten im Schneesturm in die Gegend schießen? Keine sehr überlegte Maßnahme.« Timothy Lambert hatte gelernt, auch in schwierigsten Situationen ruhig zu bleiben. Sein Fachgebiet als Bergbauingenieur war Grubensicherheit. Dennoch nahm Elaine es ihm fast übel, dass er Jacks Zurechnungsfähigkeit anzweifelte.
    »Mein Gott, es denkt eben nicht jeder ständig logisch! Wir müssen einen Suchtrupp zusammenstellen ...«
    »Jetzt kümmere dich erst einmal um die Schafe«, bestimmte Tim. »Und schimpf die Männer nicht aus. Sie haben ganz richtig gehandelt.« Tim wandte sich wieder seinen Arbeitern zu. »Wie geht es denn Grandma?«
    Gwyneira war in der letzten Nacht – mehr als eine Stunde, nachdem sie hinaufgegangen war – zurück in den Salon gekommen. Sie hatte den Billers schweigend die Kladden ausgehändigt und war bleich gewesen wie der Tod. Danach hatte sie sich sofort zurückgezogen und war bislang nicht aufgetaucht.
    »Kiri hat ihr Frühstück gebracht. Sie will niemanden sehen, und sie hat nichts gegessen, aber den Tee hat sie getrunken. Ich denke, ich kümmere mich später mal um sie.« Elaine verließ den Schuppen und machte sich an die Verteilung der neuen Schafe auf Scherschuppen und Rinderställe. Ein paar waren Mutterschafe. Einige standen kurz vor dem Ablammen, andere hatten winzige Lämmer bei sich. Lilians Neuerwerbung nahm sich der Tiere an. Der Mann erwies sich als geschickter Geburtshelfer, regte an,

Weitere Kostenlose Bücher