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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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war morgens verblüfft gewesen, als drei Maori-Männer zur Arbeit erschienen, als wäre nichts passiert. »Es geht doch nicht an, dass die Leute nur kommen, wenn es ihnen gerade passt.«
    »Es ist das Wetter, da können sie nicht jagen«, erklärte Gwyn. »Und die Getreidevorräte sind aufgebraucht. Sie hoffen, dass wir ihnen Lebensmittel geben, wenn sie Tonga sitzen lassen.«
    »Ist ja weit her mit seinem 
mana
«, brummte Tim. »Aber im Ernst, Grandma, ihr bezahlt sie in Naturalien? Das ist vorsintflutlich! Und haben sie keinen Arbeitsvertrag? Darum muss Jack sich kümmern, wir leben im 20. Jahrhundert! Man regelt die Personalfrage heute nicht mehr nach Gutsherrenart! Überhaupt würde ich mal über ein paar Fachkräfte nachdenken, Grandma. Vielleicht könnte man Leute in Wales oder Schottland anwerben. Es kann doch nicht sein, dass hier lediglich der Vormann bei Schafen vorn und hinten erkennt!«
    Am Nachmittag erschienen Lilian, Ben und Caleb mit einer weiteren Futterlieferung – und einer neuen Arbeitskraft. Lilys bewährte Methode, mit wirklich jedem ein Gespräch anzufangen, hatte ihnen einen erfahrenen Viehhüter beschert. Der Mann kam nach irgendwelchen familiären Verwicklungen von der Nordinsel – »Eine unglückliche Liebe!«, präzisierte Lilian mit melodramatischem Augenaufschlag – und hatte vorerst im Futtermittelhandel gearbeitet. Lieber, so verriet er nach wenigen Sätzen, hätte er aber wieder mit Schafen zu tun. Lilian engagierte ihn vom Fleck weg.
     
    Am Abend war die Stimmung auf Kiward Station mehr als gedrückt. Tagsüber hatten sich alle mit Arbeit ablenken können, inzwischen aber tobte der Sturm auch über den Canterbury Plains. Jeder konnte sich vorstellen, wie es in den Bergen aussah.
    »Wir haben sonst wenigstens Planwagen dabei gehabt«, sagte Gwyneira leise und starrte aus dem Fenster. »Wenn sie ...«
    »Eine Plane fliegt genauso weg wie ein Zelt bei dem Wetter«, bemerkte Elaine. Und wenn dort oben wirklich ein Orkan wütete, würde er auch einen Wagen wegreißen. Letzteres sagte sie jedoch nicht.
    Für ein wenig Hoffnung sorgte dann lediglich Marama. Sie hatte ihren Mann nach Kiward Station begleitet, der sich endlich wieder zur Arbeit meldete. In den Tagen zuvor hatte er den direkten Aufstand gegen Tonga nicht gewagt. Er war ursprünglich kein Stammesangehöriger und besaß wenig 
mana
. Nun aber brachte Marama den erfahrenen Viehhirten und Schafscherer mit auf die Farm. Sie war sich absolut sicher, dass es dort bald viel für ihn zu tun gäbe.
    »Vielleicht kommen sie morgen schon mit den ersten Herden«, erklärte sie. »Und die Hälfte wird in der ersten Nacht zu Hause ablammen.«
    Gwyneiras und Elaines Angst um Gloria und die Männer tat sie mit einer Handbewegung ab.
    »Ich wüsste, wenn meinen Söhnen etwas passiert wäre!«
    Sie war davon ebenso felsenfest überzeugt, wie sie viele Jahre zuvor von Kuras Wohlergehen überzeugt gewesen war, obwohl niemand gewusst hatte, wo das Mädchen steckte.
    Tim runzelte wieder einmal die Stirn, als Elaine ihm von Maramas Ahnungen berichtete.
    »Hast du damals gewusst, dass ich lebe, als ich in der Mine verschüttet war?«, fragte er.
    Elaine schüttelte ehrlich den Kopf. »Nein, aber ich wusste immer, dass es Lilian gut geht!«
    Tim verdrehte die Augen. »Liebste, Ahnungen, die auf den Berichten von Privatdetektiven beruhen, zählen nicht!«
     
    Lilian versuchte, Gwyneira abzulenken, indem sie mit Galahad spielte und schäkerte, aber der Kleine war müde und quengelig. Schließlich brachte sie das Kind ins Bett und gesellte sich schweigend zu ihren Eltern.
    Die Einzigen, die sich an diesem Abend gedämpft, aber angeregt unterhielten, waren Ben und Caleb Biller. Für Caleb musste es der Himmel sein, sich nicht wie sonst nur schriftlich mit Gleichgesinnten auszutauschen, sondern direkt mit seinem Sohn diskutieren zu können. Ben dozierte ausführlich über den Begriff des 
mana
 und dessen Korrespondenz mit ähnlichen Prinzipien in anderen Gebieten Polynesiens. Caleb bezog es auf die Größe der Darstellung von Götterfiguren, woraus sich eine lebhafte Diskussion ergab, über wie viel 
mana
 die diversen Götter und Halbgötter eigentlich verfügt hatten.
    »Es wäre sehr hilfreich, Miss Charlottes Aufzeichnungen hier schon hinzuziehen zu können«, bemerkte Caleb und würdigte Charlottes Verdienste noch mal in leuchtenden Farben.
    Gwyneira, von Unruhe erfüllt und froh, etwas tun zu können, erhob sich.
    »Mein Sohn hat die

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