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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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zeige ich ihnen im Notfall selbst. Das hier«, Tim wies ungeduldig auf seine Beine, »sollte ja wohl morgen wieder besser sein.«
    Elaine bezweifelte das – bei Sturm und Regen fühlte Tim sich meist schlechter –, ging aber nicht weiter darauf ein. Sie machte sich eher Sorgen um die Leute im Hochland.
    »Die Schafe kriegen wir vor dem Sturm nicht runter. Aber vielleicht könnte jemand die Menschen warnen?«
    Gwyneira zuckte die Achseln. »Zeitlich ist das kaum zu schaffen«, murmelte sie. »Es ist gewöhnlich ein Zweitagesritt. Na ja, ein sehr schnelles Pferd mit einem guten Reiter würde vielleicht nur einen Tag brauchen ...«
    »Unmöglich, da oben schneit es doch schon«, bemerkte Tim. »Und wo sollte der Bote suchen? Die Leute können sonst wo sein ...«
    »Ich weiß, wo sie sind. Ich ...« Gwyneira machte Anstalten, sich zu erheben.
    »Du bleibst, wo du bist, Grandma Gwyn!«, befahl Elaine. »Komm bloß nicht auf dumme Gedanken! Wie es aussieht, müssen wir einfach abwarten ... und auf Jacks Erfahrung mit den Bergen und dem Wetter vertrauen.«
    Gwyneira seufzte. »Auf Jack kann man sich in der letzten Zeit nicht mehr besonders gut verlassen.«
    Roly O’Brien, der sich ebenfalls am Feuer wärmte, nachdem er den ganzen Tag gemistet und Ställe ausgebessert hatte, funkelte sie böse an. »Auf Mr. Jack kann man sich immer verlassen! Er war krank, doch wenn es sein muss, holt er Ihnen Ihre Schafe auch aus der Hölle!«
    Gwyn wirkte zuerst irritiert. Dann aber musterte sie den jungen Mann eingehend und schien mit sich zu ringen.
    »Sie also sind dieser Roly«, sagte sie schließlich. »Sie waren mit Jack zusammen. Würden Sie mir vom Krieg erzählen, Mr. O’Brien?«
     
    Roly hatte noch nie so ausführlich von Gallipoli berichtet, und es war sicher nicht nur der hervorragende Whiskey, mit dem Gwyneira ihm die Zunge löste, sondern auch ihre lebhafte Anteilnahme. Die alte Dame mit den müden Augen lauschte schweigend, doch je länger Roly sprach, desto mehr Leben kam in ihren Blick und desto mehr spiegelten sich Trauer und Entsetzen in ihren faszinierend blauen Augen.
    Die beiden saßen immer noch am Feuer, als Tim und Elaine sich längst zurückgezogen hatten. Tim brauchte ein Bett, und auch Elaine war nach der Arbeit mit den Schafen fast schon im Sessel eingeschlafen. In der Nacht schreckte sie von einem Geräusch, das sie nicht gleich einordnen konnte, auf. Gwyneiras Hirngespinst, die Vermissten selbst suchen zu wollen, hatte sie alarmiert. Sie stand auf, um nachzusehen, was sie geweckt hatte.
    Tatsächlich war allerdings nur der Futtertransport aus Christchurch eingetroffen. Gwyn und Roly begrüßten die Fahrer im Salon; sie hatten wohl noch am Feuer gesessen und geredet. Nun schenkten sie Whiskey an die durchnässten und müden Männer aus. Draußen tobte ein Schneesturm, wenn er auch nicht so stark war, wie er in den Bergen sein musste.
    »Also gut, Roly, gehen wir füttern«, seufzte Elaine nach einem Blick aus dem Fenster. »Wir verlieren noch mehr Schafe, wenn sie bei der Kälte nicht genug zu fressen haben, und das muss ja nun wirklich nicht sein. Ist der Wagen noch angeschirrt? Dann können wir gleich zum Scherschuppen weiterfahren und dort ausladen.«
    Roly schwankte mehr als nur ein bisschen, aber natürlich begleitete er Elaine zu den Schafen und beobachtete zufrieden, wie die Tiere schmausten.
    »Ich wollte immer eine Farm«, seufzte Elaine. »Was habe ich Kura-maro-tini um Kiward Station beneidet. Aber Nächte wie diese ...«
    »Jack hat nie was vom Krieg erzählt«, murmelte Roly zusammenhanglos. »Seine Mutter wusste gar nichts, er hat immer nur in seinem Zimmer gelegen und an die Wand gestarrt. Feine Leute sind irgendwie sehr geduldig. Meine Mom hätte mich längst verhauen.«
     
    Am nächsten Tag inspizierte Elaine mit den neuen Helfern die Scherschuppen und bereitete Futter und Einstreu für die Mutterschafe vor. Tim sah sich im inneren Bereich der Farm um und war wenig begeistert. »Der kaputte Zaun ist nur die Spitze des Eisbergs. Hier muss alles renoviert werden, Grandma. Dein Maaka neigt wohl ein bisschen zum Improvisieren: Hier ist was geflickt, da schnell was zusammengenagelt. Wenn Jack zurück ist, sollte er das mal in größerem Stil angehen ...«
    »Das gilt auch für die Scherschuppen«, fügte Elaine hinzu. »Die fallen bald auseinander. Hast du hier mal an Neubau gedacht? Ihr habt doch jetzt viel mehr Schafe. Ihr braucht größere Anlagen.«
    »Und das Personalproblem ...« Tim

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