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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Wirkung zu tun. Während sie eine belanglose Unterhaltung über die Indianer und ihren seltsamen Glauben führten, wurden Williams Augenlider schwerer, und er gähnte mehrfach. Schließlich beugte sich Jamie vor und nahm ihm den Becher aus der erschlafften Hand.
    »Die Nacht ist kalt, Milord«, sagte er. »Möchtet Ihr Euch vielleicht neben mich legen und die Decke mit mir teilen?«
    Die Nacht war kühl, aber alles andere als kalt. Dennoch hatte er richtig geraten; Willie akzeptierte den Vorwand begierig. Er konnte keinen Adligen in seine Arme nehmen, um ihm Trost zu spenden, und der junge Graf konnte seinerseits nicht zugeben, daß er sich diesen Trost wünschte. Doch zwei Männer konnten ohne Scham nah beieinanderliegen, um sich gegenseitig zu wärmen.
    Willie schlief sofort ein, eng an seine Seite geschmiegt. Jamie lag noch lange wach, einen Arm leicht über den Körper seines schlafenden Sohnes gelegt.

     
    »Jetzt die kleine Gefleckte. Nur an der Spitze, und mit dem Finger festhalten, aye?« Er wickelte den Faden fest um die kleine Rolle aus weißer Wolle, gerade eben an Willies Finger vorbei, aber so, daß er das Ende der Spechtdaune mitumwickelte und die flaumigen Härchen der Feder spitz abstanden und in der hellen Luft zitterten.
    »Seht Ihr? Es sieht aus wie ein kleines Insekt, das gerade losfliegt.«
    Willie nickte, ohne den Blick von der Fliege abzuwenden. Zwei winzige, gelbe Schwanzfedern lagen glatt unter der Daunenfeder und ahmten die gespreizten Deckflügel eines Käfers nach.
    »Ich verstehe. Ist es die Farbe, die zählt, oder nur die Form?«
    »Beides, aber die Form ist wichtiger, glaube ich.« Jamie lächelte den Jungen an. »Am meisten zählt, wie hungrig die Fische sind. Wenn man den richtigen Zeitpunkt wählt, dann beißen sie auf alles an - sogar auf einen nackten Haken. Wählt man den falschen, dann ist es, als würde man mit Nabelschmalz angeln. Das dürft Ihr aber keinem Fliegenfischer erzählen; er nimmt die ganze Ehre für sich in Anspruch und läßt den Fischen nichts.«
    Willie lachte nicht - der Junge lachte nur selten -,doch er lächelte und ergriff die Weidenrute mit der frischgebundenen Fliege.
    »Ist der Zeitpunkt jetzt gut, was meint Ihr, Mr. Fraser?« Er beschattete seine Augen und blickte über das Wasser. Sie standen im kühlen Schatten eines Hains aus Schwarzweiden, doch die Sonne stand immer noch über dem Horizont, und das Wasser des Baches glitzerte wie Metall.
    »Aye, Forellen fressen bei Sonnenuntergang. Seht Ihr die Pünktchen auf dem Wasser? Der Teich wird gerade lebendig.«
    Die Oberfläche des Teiches war unruhig; das Wasser selbst lag still da, doch es breiteten sich Dutzende kleiner Wellenringe aus. Sie überschnitten einander, Ringe aus Licht und Schatten, die sich in endloser Folge ausbreiteten und brachen.
    »Die Ringe? Ja. Sind das Fische?«
    »Noch nicht. Es sind Mücken und Schnaken, die aus ihren Larven ausschlüpfen und die Wasseroberfläche durchbrechen, um in die Luft zu steigen - die Forellen sehen sie dann und kommen, um sie zu fressen.«
    Ohne Vorwarnung schoß ein Silberstreifen in die Luft und fiel platschend zurück. Willie schnappte nach Luft.
    »Das war ein Fisch«, sagte Jamie überflüssigerweise. Er fädelte rasch seine Angelschnur durch die geschnitzten Führungen, band eine Fliege an der Schnur fest und trat vor. »Jetzt seht her.«
    Er zog den Arm zurück und beugte das Handgelenk, vor und zurück.
Mit jedem Kreisen seines Unterarms verlängerte er die Schnur, bis er mit einem Schwung seines Handgelenkes sie in einer weiten, trägen Schlinge fliegen ließ und die Fliege niederschwebte wie eine kreisende Mücke. Er spürte den Blick des Jungen auf sich und war froh, daß es ein guter Wurf gewesen war.
    Er ließ die Fliege einen Moment lang treiben und beobachtete sie - in der glitzernden Helle war sie schwer zu sehen -,dann begann er langsam, die Schnur einzuholen. Blitzschnell ging die Fliege unter. Der Ring, der bei ihrem Verschwinden entstand, hatte noch nicht einmal begonnen, sich auszubreiten, als es fest an der Schnur ruckte und er als Antwort ein wütendes Ziehen spürte.
    »Da ist einer! Da ist einer!« Er konnte Willie hören, der aufgeregt hinter ihm am Ufer tanzte, aber seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Fisch.
    Er hatte keine Spule, nur den Zweig mit dem Rest seiner Angelschnur. Er zog die Spitze der Rute weit zurück, ließ sie wieder nach vorn fallen und wickelte die lose Schnur mit einer schwungvollen Handbewegung auf. Noch

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