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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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doch es würde ein herber Verlust für ihn sein, wenn ihm die Masern nicht nur seinen besten Freund, sondern auch jegliche Verbindung mit seinem Sohn raubten.
    Der Regen hatte aufgehört. Als sie um die Flanke eines Berges bogen und oberhalb eines Tales herauskamen, machte Willie einen leisen Ausruf überraschter Freude und richtete sich im Sattel auf. Vor dem Hintergrund regenschwarzer Wolken wölbte sich in der Ferne ein Regenbogen vom Abhang eines Berges und fiel in einem perfekten Leuchten auf den Boden des Tales unter ihnen.
    »Oh, wie wunderbar!« sagte Willie. Er wandte sich mit einem breiten Lächeln an Jamie, und ihre Differenzen waren vergessen. »Habt Ihr so etwas schon einmal gesehen, Sir?«
    »Noch nie«, sagte Jamie und erwiderte das Lächeln. Mit einem kleinen Schreck wurde ihm klar, daß diese wenigen Tage in der Wildnis möglicherweise das letzte waren, das er jemals von Willie sah oder hörte. Er hoffte, den Jungen nicht mehr schlagen zu müssen.
     
    Im Wald war sein Schlaf immer leicht, und das Geräusch weckte ihn sofort. Einen Augenblick lang lag er völlig still, nicht ganz sicher, was es war. Dann hörte er das leise, gedämpfte Geräusch und erkannte den Klang erstickten Weinens.
    Er unterdrückte sein spontanes Bedürfnis, sich umzudrehen und dem Jungen tröstend die Hand aufzulegen. Willie gab sich größte Mühe, nicht gehört zu werden; er verdiente es, daß man ihm seinen Stolz ließ. Er lag still, hob den Blick zum weiten Nachthimmel über ihm und lauschte.
    Es war keine Angst; Willie hatte keine Angst davor gezeigt, im dunklen Wald zu schlafen, und wäre ein großes Tier in der Nähe gewesen, so hätte der Junge etwas gesagt. Ging es ihm nicht gut? Die Geräusche waren kaum mehr als etwas lauteres Atmen, das ihm in der Kehle steckenblieb - vielleicht hatte der Junge Schmerzen und war zu stolz, es zu sagen. Es war Furcht, die ihn zum Sprechen trieb; wenn die Masern sie eingeholt hatten, durfte er keine Zeit verlieren; er mußte den Jungen sofort zu Claire zurückbringen.
    »Milord?« sagte er leise.
    Das Schluchzen verstummte abrupt. Er hörte ein Schlucken und das Rascheln von Stoff auf Haut, als sich der Junge mit dem Ärmel über das Gesicht wischte.

    »Ja?« sagte der Graf, dessen tapferes Bemühen um Kühle nur durch seine belegte Stimme vereitelt wurde.
    »Geht es Euch nicht gut, Milord?« Er konnte bereits erkennen, daß es etwas anderes war, aber es war ein guter Vorwand. »Habt Ihr vielleicht einen Krampf? Getrocknete Äpfel können einen Mann unglücklich erwischen.«
    Auf der anderen Seite des Feuers war zu hören, wie jemand tief Luft holte und dann schniefte, während er versuchte, sich unauffällig seine laufende Nase zu putzen. Das Feuer war bis auf die Glut heruntergebrannt; dennoch konnte Jamie die dunkle Gestalt sehen, die sich zum Sitzen hochwand und dann auf der anderen Seite des Feuers hockte.
    »Ich - äh - ja, ich glaube, so etwas… könnte es sein.«
    Jamie setzte sich ebenfalls hin, und das Plaid glitt ihm von der Schulter.
    »Es ist nichts Schlimmes«, sagte er tröstend. »Ich habe einen Trank, der alle möglichen Arten von Magenbeschwerden heilt. Keine Sorge, Milord; ich hole Wasser.«
    Er stand auf und entfernte sich, wobei er darauf bedacht war, den Jungen nicht anzusehen. Als er mit dem gefüllten Kessel vom Bach zurückkam, hatte sich Willie die Nase geputzt und sich das Gesicht abgewischt. Er hatte im Sitzen die Knie angewinkelt und den Kopf daraufgelegt.
    Er konnte nicht anders, als im Vorübergehen den Kopf des Jungen zu berühren. Zum Teufel mit der Zurückhaltung. Das dunkle Haar fühlte sich weich an, warm und etwas verschwitzt.
    »Ein Grimmen im Bauch, ja?« sagte er freundlich, während er sich hinkniete und den Wasserkessel aufsetzte.
    »Mm-hm.« Willies Stimme wurde von der Decke gedämpft, die über seinen Knien lag.
    »Das geht bald vorbei«, sagte er. Er griff nach seinem Sporran und suchte zwischen der Vielzahl der kleinen Gegenstände herum, die dieser enthielt. Schließlich brachte er den kleinen Stoffbeutel mit der Mischung getrockneter Blätter und Blüten zum Vorschein, die Claire ihm mitgegeben hatte. Ihm war nicht klar, woher sie gewußt hatte, daß er den Tee brauchen würde, doch er stellte schon lange nichts mehr in Frage, was sie als Heilerin tat - ob für den Körper oder für die Seele.
    Einen Augenblick lang war er ihr zutiefst dankbar. Es war ihm nicht entgangen, wie sie den Jungen ansah, und er ahnte, was sie fühlen

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