Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
herüber.
    »Der war eigentlich für Euch gedacht«, sagte ich. »Aber wenn Ihr es aushalten könntet zu warten…«
    »Gebt ihn auf jeden Fall dem Jungen«, sagte er und winkte ab. »Ich kann gut warten. Aber kann ich Euch vielleicht helfen?«
    Mir kam der Gedanke, ihm vorzuschlagen, zum Abort zu gehen, anstatt den Nachttopf zu benutzen - den ich würde entleeren müssen -,wenn er wirklich helfen wollte, doch ich konnte sehen, daß sein Zustand es ihm noch nicht erlaubte, nachts allein umherzuwandern. Ich wollte dem jungen William nicht am Ende erklären müssen, daß ich es hatte geschehen lassen, daß der einzige Elternteil, der ihm geblieben war - oder der Mann, von dem er glaubte, er sei der einzige Elternteil, der ihm geblieben war - sich eine Lungenentzündung geholt hatte oder gar von Bären gefressen worden war.
    Also schüttelte ich nur höflich den Kopf und kniete mich neben das Rollbett, um Ian den Aufguß zu verabreichen. Es ging ihm immerhin so gut, daß er Gesichter schnitt und sich über den Geschmack beschwerte, was ich beruhigend fand. Dennoch waren seine Kopfschmerzen offenbar sehr stark; die Falte zwischen seinen Augen wich nicht von der Stelle und war so tief, als wäre sie mit einem Messer dort eingegraben worden.
    Ich setzte mich auf das Rollbett, nahm seinen Kopf auf meinen Schoß und rieb ihm sanft die Schläfen. Dann legte ich meine Daumen gerade eben in seine Augenhöhlen und preßte sie fest an der Kante seiner Augenbraue entlang. Er gab einen leisen Laut des Unbehagens von sich, entspannte sich dann aber, und sein Kopf lag schwer auf meinem Oberschenkel.
    »Atme einfach nur weiter«, sagte ich. »Mach dir keine Sorgen, wenn es am Anfang etwas unangenehm ist, es heißt, daß ich die richtige Stelle erwischt habe.«
    »Schon in Ordnung«, murmelte er in leicht gedehnten Worten. Seine Hand driftete nach oben und schloß sich um mein Handgelenk, groß und sehr warm. »Das hat der Chinamann auch so gemacht, oder?«
    »Das stimmt. Er meint Yi Tien Cho - Mr. Willoughby«, erklärte
ich Lord John, der die Vorgänge mit einem verwunderten Stirnrunzeln beobachtete. »Es ist eine Methode, mit der man Schmerzen lindern kann, indem man Druck auf bestimmte Punkte des Körpers ausübt. Dieser hier ist gut gegen Kopfschmerzen. Der Chinamann hat es mir beigebracht.«
    Ich erwähnte den kleinen Chinesen Lord John gegenüber nur ungern, denn als wir uns das letzte Mal begegnet waren, auf Jamaica, durchkämmten gerade vierhundert Soldaten auf Lord Johns Befehl die Insel auf der Suche nach Mr. Willoughby, den man eines besonders grausamen Mordes verdächtigte.
    »Er hat es nicht getan, wißt Ihr?« fühlte ich mich gedrängt hinzuzufügen. Lord John sah mich mit hochgezogener Augenbraue an.
    »Das spielt keine Rolle«, sagte er trocken, »da wir ihn nie gefangen haben.«
    »Oh, das freut mich.« Ich blickte auf Ian herab, bewegte meine Daumen einen halben Zentimeter weiter nach außen und drückte erneut zu. Sein Gesicht war immer noch vor Schmerz angespannt, doch ich glaubte, daß die Blässe in seinen Mundwinkeln etwas nachließ.
    »Ihr… äh… wißt wohl nicht, wer Mrs. Alcott umgebracht hat?« Lord Johns Stimme klang beiläufig. Ich sah zu ihm auf, doch in seinem Gesicht waren nur schlichte Neugier und eine große Anzahl Flecken zu sehen.
    »Doch, das tue ich«, sagte ich zögernd, »aber -«
    »Wirklich? Ein Mord? Wer war es? Was ist passiert, Tante Claire? Autsch!« Ians Augen öffneten sich abrupt unter meinen Fingern, vor Interesse aufgerissen, und schnappten dann schmerzverzerrt zu, als sie der Schein des Feuers traf.
    »Halt du den Mund«, sagte ich und grub meine Daumen in die Muskeln vor seinen Ohren. »Du bist krank.«
    »Argk!« sagte er, erschlaffte aber gehorsam, wobei die mit Liesch gefüllte Matratze laut unter seinem dünnen Körper raschelte. »Schon gut, Tante Claire, aber wer? Du kannst nicht einfach so Fetzen erzählen und dann erwarten, daß ich schlafe, ohne den Rest zu erfahren. Oder kann sie das?« Er öffnete seine Augen einen Spaltbreit, um an Lord John zu appellieren, der ihm mit einem Lächeln antwortete.
    »Ich trage keine Verantwortung mehr in dieser Angelegenheit«, versicherte mir Lord John. »Vielleicht solltest du allerdings in Betracht ziehen«, wandte er sich mit größerer Bestimmtheit an Ian, »daß die Geschichte möglicherweise jemanden belastet, den deine Tante schützen möchte. In diesem Fall wäre es unfein, auf Details zu bestehen.«

    »Och, das kann gar

Weitere Kostenlose Bücher