Der Ruf Der Trommel
die Körner flachzudrücken und zu wenden.
»Wie lange dauert das Ganze?« Brianna steckte ihre Nase über den Rand des Maischebottichs, in dem Marsali das fermentierende Korn des letzten Räuchervorgangs umrührte. Die Maische fing gerade erst an zu gären; es lag nur ein schwacher Hauch von Alkohol in der Luft.
»Oh, das hängt etwas vom Wetter ab.« Marsali blickte mit geschultem Auge zum Himmel. Es war später Nachmittag, der Himmel hatte begonnen, sich zu einem klaren, tiefen Blau zu verdunkeln, und
es trieben nur ein paar Andeutungen weißer Wolken über den Horizont. »So klar, wie es ist, würde ich sagen - Germain!« Germains Hintern war das einzige, was von ihm zu sehen war; sein Oberkörper war unter einem am Boden liegenden Baumstamm verschwunden.
»Ich hole ihn.« Brianna ging mit drei schnellen Schritten über die Lichtung und hob ihn hoch. Germain kommentierte die unerwünschte Unterbrechung mit einem kräftigen Protestgeräusch und fing an, um sich zu treten und mit seinen kräftigen Fersen gegen ihr Bein zu hämmern.
»Au!« Brianna stellte ihn auf den Boden und rieb sich mit einer Hand den Oberschenkel.
Marsali machte ein entnervtes Geräusch und ließ ihre Kelle fallen. »Was hast du denn jetzt schon wieder, du hinterlistiges Biest?« Germain, der aus Erfahrung klug geworden war, steckte seinen jüngsten Fund in den Mund und schluckte heftig. Er wurde auf der Stelle rot und fing an, nach Luft zu schnappen.
Mit einem Schreckenslaut fiel Marsali auf die Knie und versuchte, ihm mit Gewalt den Mund aufzumachen. Germain würgte, keuchte und stolperte kopfschüttelnd rückwärts. Seine blauen Augen quollen vor, und ein dünner Speichelfaden kroch ihm über das Kinn.
»Komm her!« Brianna packte den kleinen Jungen am Arm, zog seinen Rücken an sich, preßte ihm die geballten Fäuste in den Magen und riß sie scharf zurück.
Germain machte ein lautes Keuchgeräusch, und ein kleiner, runder Gegenstand schoß ihm aus dem Mund. Er gurgelte, schnappte nach Luft, sog sich die Lungen voll und fing an zu brüllen, wobei seine Gesichtsfarbe in Sekundenschnelle von dunklem Lila in gesundes Rot überging.
»Geht’s ihm gut?« Jamie warf einen ängstlichen Blick auf den kleinen Jungen, der sich in den Armen seiner Mutter ausweinte, und als er sich davon überzeugt hatte, wandte er sich an Brianna. »Das ging aber schnell, Kleine. Gut gemacht.«
»Danke. Ich - danke. Ich bin froh, daß es funktioniert hat.«
Brianna fühlte sich etwas zittrig. Sekunden. Es hatte nur ein paar Sekunden gedauert. Vom Leben zum Tod und wieder zurück in Nullkommanichts. Jamie berührte sie am Arm und drückte kurz zu, und sie fühlte sich etwas besser.
»Am besten bringst du den Kleinen hinunter ins Haus«, sagte er zu Marsali. »Gib ihm sein Abendessen und leg ihn ins Bett. Wir machen hier den Rest.«
Marsali nickte. Sie sah ebenfalls verstört aus. Sie strich sich eine
Strähne ihres hellen Haars aus den Augen und versuchte ziemlich erfolglos, Brianna anzulächeln.
»Danke, Schwester.«
Brianna spürte, wie sie vor Freude stolz strahlte, als man sie so bezeichnete. Sie erwiderte Marsalis Lächeln.
»Ich bin froh, daß es ihm gut geht.«
Marsali hob ihre Tasche vom Boden auf, nickte Jamie zu, machte kehrt und schritt vorsichtig den steilen Pfad hinab. Sie hielt das Kind in den Armen, und Germains Knubbelfäuste waren fest in ihr Haar gekrallt.
»Das war gute Arbeit, Kusinchen.« Ian hatte die Gerste fertig ausgebreitet und sprang vom Podest, um ihr zu gratulieren. »Wo hast du denn so etwas gelernt?«
»Von meiner Mutter.«
Ian nickte und machte ein beeindrucktes Gesicht. Jamie bückte sich und suchte ringsum den Boden ab.
»Was war es wohl, was der Junge verschluckt hat, frage ich mich.«
»Das hier.« Brianna sah den Gegenstand, der halb unter dem Laub vergraben war, und pulte ihn heraus. »Sieht aus wie ein Knopf.« Der Gegenstand war ein eingebeulter, grob aus Holz geschnitzter Kreis, aber unzweifelhaft ein Knopf mit einem langen Schaft und Löchern für das Nähgarn.
»Laß mal sehen.« Jamie hielt ihr die Hand hin, und sie ließ den Knopf hineinfallen.
»Du vermißt doch keine Knöpfe, oder, Ian?« fragte er und sah den kleinen Gegenstand in seiner Handfläche stirnrunzelnd an.
Ian linste über Jamies Schulter und schüttelte den Kopf. »Vielleicht Fergus?« schlug er vor.
»Vielleicht, aber ich glaube nicht. Unser Fergus ist viel zu sehr Dandy, als daß er so etwas tragen würde. Die Knöpfe an seinem
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