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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Sinclair.« Mit wehenden Röcken verschwand sie im kühlen Halbdunkel der Küferwerkstatt.
    »Deinem Vater?« fragte ich. »Hast du ihn verloren?«
    Das Mädchen nickte und preßte die Lippen zusammen, damit sie nicht zitterten.
    »Er muß wohl als Zwangsarbeiter hierhergekommen sein, aber ich weiß nicht, wohin; nur, daß es die Kolonien im Süden sein müssen.«
    Na ja, das begrenzt die Suche ja nur auf ein paar hunderttausend Quadratmeilen, dachte ich. Dennoch, es konnte nicht schaden, wenn man Ronnie Sinclair bat, die Nachricht zu verbreiten. Es gab im Süden kaum Zeitungen oder andere Drucksachen; die meisten echten Neuigkeiten verbreiteten sich immer noch von Mund zu Mund, wurden in den Läden oder Wirtshäusern weitererzählt oder von den Sklaven oder Dienstboten von einer abgelegenen Plantage zur nächsten getragen.
    Der Gedanke an Zeitungen weckte schlagartig eine unangenehme Erinnerung. Dennoch, sieben Jahre schienen noch in beruhigend weiter Ferne zu liegen - und Brianna hatte sicher recht; ob das Haus dazu verdammt war, am 21. Januar abzubrennen oder nicht, es würde sich doch sicher einrichten lassen, daß wir an diesem Datum nicht dort waren.
    Brianna erschien mit hochrotem Gesicht, schwang sich auf den Wagen, nahm die Zügel auf und wartete ungeduldig auf den Rest.
    Als Ian ihr rotes Gesicht sah, runzelte er die Stirn und blickte zur Küferwerkstatt.
    »Was ist los, Kusinchen? Hat der Kerl da drin was Falsches zu dir gesagt?« Er ballte seine Fäuste, die fast so groß wie Sinclairs waren.
    »Nein«, sagte sie schroff. »Kein einziges Wort. Können wir jetzt gehen?«
    Ian hob Lizzie hoch und schwang sie auf die Ladefläche, dann streckte er die Hand aus und half mir neben Brianna auf den Sitz. Er warf einen Blick auf die Zügel in Briannas Händen; er hatte ihr beigebracht, die Maultiere zu lenken, und ihre Geschicklichkeit erfüllte ihn mit berufsmäßigem Stolz.
    »Paß auf den Gaul auf der linken Seite auf«, wies er sie an. »Er zieht seinen Teil der Ladung nur, wenn du ihm ab und zu eins aufs Hinterteil gibst.«

    Er verschwand mit Lizzie auf der Ladefläche, als wir uns auf den Weg machten. Ich konnte hören, wie er ihr groteske Geschichten erzählte und sie darauf mit schwachem Kichern antwortete. Da er selbst das Nesthäkchen seiner Familie war, war Ian von Lizzie verzaubert und behandelte sie wie eine jüngere Schwester, abwechselnd Nervensäge und Lieblingshaustier.
    Ich warf einen Blick zurück auf die Küferwerkstatt, die hinter uns kleiner wurde, dann auf Brianna.
    »Was hat er getan?« fragte ich still.
    »Nichts. Ich bin ihm dazwischengekommen.« Ihre breiten Wangenknochen erröteten tiefer.
    »Was in aller Welt hat er denn getan?«
    »Bilder auf ein Holzstück gezeichnet«, sagte sie und biß sich von innen auf die Wange. »Von nackten Frauen.«
    Ich lachte, gleichermaßen schockiert und belustigt.
    »Na ja, er hat keine Frau, und wahrscheinlich bekommt er so schnell auch keine; Frauen sind sowieso Mangelware in der Kolonie, und hier oben erst recht. Ich schätze, man kann es ihm nicht übelnehmen.«
    Ich verspürte einen unerwarteten Stich des Mitgefühls für Ronnie Sinclair. Er war schließlich schon sehr lange allein. Seine Frau war in den schrecklichen Tagen nach der Schlacht von Culloden umgekommen, und er selbst hatte über zehn Jahre im Gefängnis gesessen, bevor er in die Kolonien deportiert wurde. Wenn er hier Freundschaften geknüpft hatte, dann waren sie nicht von Dauer gewesen; er war ein Einzelgänger, und plötzlich sah ich seine eifrige Suche nach Gerüchten, seine heimlichen Beobachtungen - ja, sogar die Tatsache, daß er Brianna als Quelle künstlerischer Inspiration benutzte - in einem anderen Licht. Ich wußte, was es bedeutete, einsam zu sein.
    Briannas Verlegenheit war verflogen, und sie pfiff leise vor sich hin, während sie lässig über die Zügel gebeugt saß - eine Melodie der Beatles, dachte ich, obwohl ich diese ganzen Popgruppen noch nie auseinanderhalten konnte.
    Der Gedanke schlich sich träge und hinterhältig in mein Bewußtsein: Falls Roger nicht kam, würde sie nicht lange allein bleiben, weder hier, noch wenn sie in die Zukunft zurückkehrte. Doch das war lächerlich. Er würde kommen. Und wenn nicht…
    Ein Gedanke, den ich unter Kontrolle zu halten versucht hatte, schlich sich an meinen Verdrängungsmechanismen vorbei und erschien in voller Größe vor meinem inneren Auge. Was, wenn er absichtlich nicht kommt? Ich wußte, daß sie sich über irgend

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