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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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Augen, Kiefernharz. »Es gibt da eine Königin in Svawenland, die schönste, die ich je sah«, entfuhr es Sigfrid. »Und nicht nur ihre Schönheit, auch ihr Verstand und ihr Mut sind ohnegleichen. Brünhild, die Herrin von Burg Seegard, ist eines Königs würdig.«
    Grimhild erbleichte. Das war sie , daran gab es keinen Zweifel! Ängstlich beobachtete sie Sigfrid. Was empfand er jetzt? Konnte sie bereits gegen das schwächer werdende Bild in seiner Seele bestehen? Zeit! Sie brauchte Zeit! »Du solltest frō Sigfrid nicht mit deinen Sorgen behelligen«, wies sie ihren Bruder zurecht. Und an den Sachsen gewandt: »Mir scheint, Euer Gefolgsmann wartet auf Euch.«
    Sigfrid sah aus dem Fenster. Ein Ausdruck von Überraschung trat auf sein Gesicht. »Er hat die Pferde bei sich. Gab ich ihm den Befehl dazu?« Verwirrt eilte er hinaus.
    Grimhild folgte ihm. In der Tür hielt sie noch einmal inne. »Sigfrid wäre ein guter Verbündeter, nicht wahr?« Und ehe ihr Bruder antworten konnte, war sie verschwunden.
3
    Einige Nächte waren ins Land gegangen, und der Sommer kündigte sich an. Der Nachmittag war schwül und versprach, noch heißer zu werden. Überall konnte man den schwirrenden Gesang der Grillen und Heuschrecken hören, ein vielstimmiger Wettstreit aus Knarren und Zirpen, mit dem die Männchen die Weibchen anlockten. Bienen summten geschäftig umher, selbst Maikäfer flogen noch in großer Zahl durch die Luft. In der Hitze reiften die Früchte. Nicht mehr lange, dann wurde es Zeit für die Kornernte.
    Gunter saß an einen Baum gelehnt und ließ träge die Augen über das Land schweifen. Die Wiese war mit Hahnenfuß, Mohn und Kornblumen übersät. Auch der Löwenzahn blühte überall. Ein rotbraun gefleckter Schmetterling ließ sich auf einer Distel nieder und faltete die Flügel ein paarmal auf und zu, ehe er zur Ruhe kam. Gunter beobachtete ihn eine Weile und seufzte zufrieden. Wie schade, dass ihm Momente wie dieser so selten vergönnt waren! Es tat gut zu sehen, wie das Land gedieh. Vielleicht war er am Ende doch kein so schlechter König. Der Schmetterling breitete seine Flügel aus, um die Wärme der Sonne einzufangen. Gunter liebte dieses Land. Wenn Aldrian je eine richtige Entscheidung getroffen hatte, dann die, hier sein Reich zu gründen.
    Der Gedanke an seinen Vater warf einen Schatten über den Augenblick der Unbeschwertheit. Wie so oft wanderten Gunters Gedanken zurück zu jenem schicksalhaften Augenblick, als sich seine Bestimmung erfüllte und er gezwungen war, gegen seinen Willen König von Niflungenland zu werden. Grimhild brachte ihm damals in hysterischem Zustand die Nachricht von Aldrians Tod. Auf Hagens Rat entschloss er sich, die Todesursache zu vertuschen, um Schaden von ihrer Sippe abzuwenden. Ein König, der der Blutrache zum Opfer fiel   – das würde viele Menschen davon überzeugen, dass das Königsheil die Niflungen verlassen hatte. Sogar Grimhild mit ihren jungen Jahren begriff das. So sagten sie weder Gernholt noch Gislher etwas davon, und selbst Oda weihte Gunter nur zögernd ein. Überraschenderweise war sie ihnen eine große Hilfe. Klaglos ritt sie mit hinaus, um die Leiche zu bergen und heimlich in die Burg zu bringen, wo sie die klaffende Rückenwunde so vernähte, dass diese bei der Totenwache nicht auffiel. Sie tat, was nötig war, wie eine echte Königin, und behielt ihren Schmerz für sich, bis die schauerliche Arbeit vollbracht war. Erst dann zog sie sich in ihre Gemächer zurück, um zu trauern. Monatelang sprach sie mit niemandem, aß und trank kaum, und es bedurfte der gemeinsamen Anstrengung ihrer Kinder, um sie aus ihrer Gleichgültigkeit zu reißen.
    Gunter betrachtete seine Fingerspitzen. Keine Möglichkeit zur Rache zu haben, weil er nicht wusste, wer seinen Vater getötet hatte, das war eine Wunde, die unaufhörlich blutete, aus der nach und nach sein Lebenssaft rann. Ein schleichendes Gift in der Seele, das allmählich sein Selbstbewusstsein untergrub. Seinem Vater und damit seiner Sippe war die Ehre genommen worden, ohne dass er sie sich zurückholen konnte. Eines Tages würden die Gefolgsleute seine Kraftlosigkeit erkennen, und das würde das Ende seiner Herrschaft sein. Düster starrte Gunter zu Boden. Die Hochstimmung, die ihn eben noch erfasst hatte, war wie weggeblasen.
     
    Sigfrid hatte sich von den anderen entfernt, um allein zu sein. Er wollte über die Fetzen eines merkwürdigen Traumes nachdenken, der ihm im Kopf herumspukte. Er konnte sich nur an

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