Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
befragte ich aber lieber meine Narben, noch bevor er den Mund aufmachte. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich: Nichts. Kein Brennen, keine Warnsignale. Das war Lucian, ganz sicher.
Auch ich hatte mich bereits für die Parade verkleidet und trug ein Kostüm, das einen sexy Teufel darstellen sollte – ich hatte mir das nicht ausgesucht. Im Inneren des Gebäudes stand direkt neben der Eingangstür ein Tisch mit jeder Menge Masken in den Mardi-Gras-Farben. Ich nahm eine davon und hielt sie mir wie sein Spiegelbild vors Gesicht. »Ich hoffe wirklich, dass sich dahinter Haven verbirgt«, murmelte Lucian mit sanfter Stimme. »Ansonsten muss ich Sie nämlich zum Gehen auffordern, wer auch immer Sie sein mögen, da dieses Fenster ganz offiziell reserviert ist.« Seine grauen Augen funkelten.
Ich lächelte schüchtern. »Das bin doch nur ich.«
»Hallo, nur du.« Er schob seine Maske hoch.
»Wissen die, dass du jetzt hier bist?«
»Nein«, erklärte er, »aber ich glaube nicht, dass es mit der Rekrutierung schon vor der Parade losgeht. Ich werde schnell machen und dann kurz vor Mitternacht hierher zurückkehren. Bis dahin wirst du deine Schlacht längst geschlagen haben.« Er sprach hastig wie jemand, der versuchte, seine Nerven unter Kontrolle zu bringen.
»Und deshalb habe ich dann auch jede Menge Zeit«, behauptete ich ganz lässig. Er lächelte dankbar.
»Genau. Solange ich mich also davonschleichen und verhindern kann, dass sie mich erwischen oder gegen meinen Willen wieder nach da unten mitnehmen oder …« Jetzt wurde er langsamer, sprach mit immer leiserer Stimme. »Na ja, ich denke, du weißt, was mir sonst bevorsteht.« Allerdings. Ich nickte und versuchte, mir die Angst nicht anmerken zu lassen. »Dann ist meine Seele frei.«
»Dann bist du frei, verstanden.«
»Nein.« Er sah mich nur einen winzigen Moment an.
»Was?«
»Meine Seele ist frei.«
»Das hab ich doch gesagt, oder?«
»Nicht so ganz.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Mach dir darüber jetzt keine Gedanken. Wir müssen mich einfach nur bis nachts um zwölf am Leben erhalten, und zwar außer Reichweite der Krewe. Dann gehöre ich zumindest wieder den Sterblichen an. Aber während Mitternacht immer näher rückt, lassen meine Kräfte langsam nach, und wenn ihnen klar wird, dass ich nicht in der Gruft bin, um ihre Trophäen einzusammeln, werden sie sich auf die Suche nach mir machen. Und dann brauche ich dich. Ich brauche alle Hilfe, die ich kriegen kann.«
»Du benötigst einfach nur ein bisschen Rückendeckung, kein Problem.«
»Wir treffen uns hier nach der Schlacht.« Er ließ einen Moment den Kopf hängen und sah mich mit ernstem Blick an. »Ich fürchte, ich weiß immer noch nicht, wer dein Gegner sein wird. Ich habe nur gehört, dass Clio dich zunächst ermüden will, schone also deine Kräfte, wenn irgend möglich.«
»Verstanden«, nickte ich mit Entschlossenheit. Ich musste Lucian das Gefühl vermitteln, dass ich mir gar keine Sorgen machte. Es gab so vieles, was ich nicht wusste, eins war mir aber klar: Die ganze Sache würde nicht funktionieren, wenn Lucian sich aufgab.
Plötzlich erklang in einem der Räume über uns ein Staubsauger, gleichzeitig hörten wir Stimmen und Schritte näher kommen. Die Partyplaner waren immer noch hier und trafen letzte Vorbereitungen. Lucian deutete mit dem Kinn zur Treppe. Ich folgte ihm hinauf zum Absatz im ersten Stock. Er schien nach einer ruhigen Ecke zu suchen, in der wir etwas Privatsphäre hatten. Nach einem Ort für einen dieser schweren Abschiede, die man für nötig hält, wenn viel auf dem Spiel steht. An einer Wand hing ein Gobelin mit einer bourbonischen Lilie aus Goldfäden. Davor blieb er jetzt stehen.
»Wie soll ich dir bloß dafür danken, dass du für mich dein Leben riskierst? Darauf weise ich dich ja nur ungern hin, aber du weißt schon, dass die keine Sekunde zögern werden, dich zu töten, wenn sie herausfinden, dass du mir helfen willst?«
»Du kannst mir danken, indem du, na, du weißt schon, am Leben bleibst«, sagte ich einfach.
»Abgemacht.« Er lächelte. Die melancholische Wanduhr begann zu schlagen. Ich konnte Lance vor dem Fenster draußen sehen. Er warf einen Blick herein und behielt mich im Auge. Auch Lucian schaute jetzt einen Moment nach unten. Er legte mir die Hand auf den Arm und flüsterte mir ins Ohr: »Ich weiß natürlich, wie die Dinge stehen. Aber wenn das in Ordnung ist, würde ich dich trotzdem gern für immer lieben. Okay?«
Ich erwiderte
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