Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
paar Tagen würden wir in eine neue Version dieser Welt eintauchen, daran hegte ich keinen Zweifel. Das war es, was uns in New Orleans erwartete, und wir wussten es alle, auch wenn wir nie darüber gesprochen hatten. Es leuchtete einfach ein. Ich berührte meinen Kettenanhänger – einen goldenen Engelsflügel –, damit er mir Kraft gab, dann wärmte ich mir die Hände am Pappbecher. Lance schlang den Arm fester um mich, als ich mich an ihn kuschelte.
»Auf bessere Zeiten im Big Easy !«, verkündete Dante mit ernster Stimme und hielt seine heiße Schokolade hoch, um mit uns anzustoßen.
»Prost!«, sagte Lance.
Bevor er einen Schluck nahm, fügte Dante noch hinzu: »Danke, Mr Connor Mills, Schülerkoordinator der Extraklasse!«
Auf die Sache mit dem Freiwilligeneinsatz, oder auch Freiwilligentourismus, waren wir im Sommer gekommen. Wenn wir unseren Abschluss früher machten, so hatten wir überlegt, mussten wir doch irgendwas mit all der Zeit anfangen. Wir waren viel zu kribbelige Typen, um einfach ein Semester lang herumzusitzen, und wir hatten auch keine Lust gehabt, vorzeitig mit dem College anzufangen. Das wäre dann doch … zu viel des Guten gewesen. Uns ging jetzt schon genug im Kopf herum, da mussten wir uns nicht auch noch frühzeitig in den akademischen Wettkampf stürzen.
Die Idee war aufgekommen, als ich im Juni zu meinem alten Freiwilligenjob im Evanston General Hospital zurückgekehrt war, um dort mit Joan zusammenzuarbeiten. Eines Abends war ein Auswärtiger namens Connor Mills nach einem spontanen Basketballspiel in der Notaufnahme gelandet, weil ihm jemand den Ellbogen ins Auge gerammt hatte. Die Sache sah zwar hässlich aus, hätte aber schlimmer sein können. Es schadete auch nichts, dass er ein Typ war, dem das Zerzauste gut stand: Er war kräftig und sportlich, hatte aschblondes Haar, den abgerissenen Look eines professionellen Bergsteigers und war selbst mit Kopfverletzung noch lässig und charmant. Im Krankenhaus war an dem Tag viel los, und da er wegen einer möglichen Gehirnerschütterung unter Beobachtung stand, musste er bis spät abends bleiben. Ich räumte gerade sein Tablett ab und freute mich nach dem hektischen Tag über einen ruhigen Moment, als er mich ansprach.
»Studierst du hier an der Northwestern Medizin?«, fragte er mich mit typischem Südstaatenakzent. Man hatte ihm Verbandsmull übers Auge geklebt. »Was meinst du, wie lange braucht das, um zu verheilen?«
»Ihr Sehvermögen scheint ja sehr eingeschränkt zu sein«, lächelte ich. »Ich arbeite hier nämlich nur als Freiwillige. Ich bin noch in der Highschool. Einen medizinischen Rat kann ich Ihnen deshalb nicht geben, aber ich könnte Ihnen ein paar wirklich leckere Plätzchen aus dem Warteraum hinten im Flur besorgen, wenn Sie noch Hunger haben. Ich verstecke immer ein paar, weil die Schwestern die sonst klauen.«
»Vielleicht nehme ich dich da beim Wort.« Er lachte.
»Wo ist denn der Typ, der Ihnen das angetan hat?«
»Mein Kumpel.« Connor schüttelte den Kopf. »Ich bin nur ein paar Tage in der Stadt, um Freunde zu besuchen. Dass ich die ausgerechnet hier verbringen würde, hätte ich ja nicht gedacht.«
Irgendwie tat er mir leid, und weil man mich nirgendwo sonst brauchte, leistete ich ihm Gesellschaft und schlug eine Partie Poker vor.
Ich hatte gerade eine Runde gewonnen und sammelte die M&Ms aus dem Automaten ein, die wir als Einsatz benutzten, als Connor sagte: »Du bist hier also als Freiwillige? Ich arbeite da bei so einem Programm in New Orleans mit. Stadtkinder, Katrina-Opfer, Hilfsarbeit in all ihren Spielarten. Ich würde wetten, dass du da Spaß dran hättest.«
»Was würdest du denn wetten?«, ging ich jetzt zum Du über und hielt ihm eine Hand voll M&Ms entgegen.
Er lachte, nahm sich eins und warf es sich in den Mund. »Wir im Süden nennen das Freiwilligentourismus.«
»Wirklich prägnant.«
»Du solltest dich bewerben. Zu uns runterkommen. Da ist der Winter viel angenehmer.«
Als Connor endlich entlassen wurde, hatte er mich längst überzeugt und versprochen, mir die Bewerbungsunterlagen zu mailen. Auch Dante und Lance musste ich nicht lange überreden. Doch sobald wir bei dem Programm angenommen waren, begannen wir darüber nachzudenken, was uns wohl wirklich in New Orleans erwartete.
»Also …« Irgendjemand musste einfach die Stille durchbrechen, wir konnten ja nicht ewig auf die Trümmer starren. »Bekommt ihr irgendwas Schönes zum Abschluss geschenkt?«, fragte ich mit
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