Der Ruf des Kookaburra
sicher.«
Emma starrte ihn an und versuchte zu begreifen: Ihr Leben als Wissenschaftlerin war gesichert! John schätzte und achtete ihre Arbeit, und sie – sie allein – würde von nun an imstande sein, den Lebensunterhalt für sich und Carl zu verdienen.
Mit einem Mal sah die Zukunft ein ganzes Stück heller aus.
Sie schüttelte fassungslos den Kopf, lächelte und wollte John danken, doch er winkte ab.
»Dank habe ich nicht verdient, Emma. Aber … darf ich dich etwas fragen?«
»Natürlich!«
Sein Daumen strich über ihren Handrücken. »Wenn alles anders gekommen wäre … Wenn wir deinen Mann nicht gefunden hätten und wenn du mich geheiratet hättest … Meinst du, Emma, du hättest mich irgendwann einmal lieben können?«
Sie schaute ihm in die Augen. Johns Blick legte ihr alles offen, was er ihr nicht zu sagen wagte, und Emma erkannte, dass er sie wirklich liebte – mit einer Tiefe und Inbrunst, die sie ihm niemals zugetraut hätte.
War es ein Verrat an Carl, wenn sie John die Wahrheit sagte? Nein, beschloss Emma. John war ehrlich zu ihr gewesen, also würde auch sie ehrlich sein. Er hatte es verdient.
Sie beugte sich über den Tisch zu ihm hinüber und drückte ihre Lippen zum letzten Mal auf die seinen. »Ich liebe dich doch bereits«, flüsterte sie an seinem Mund. »Wie könnte ich einen Menschen wie dich nicht lieben, John?«
»Du liebst mich.« Seine Stimme war leise und traurig. »Aber Carl liebst du mehr.«
»Ja«, sagte Emma ehrlich. »Carl liebe ich mehr.«
Sie löste sich von John und wusste, diesmal tat sie es für immer.
Er nickte und stand auf. »Leb wohl, Emma.«
»Leb wohl, John.«
Emma sah ihm nach, als er langsam durch den Gastraum hinausging, bis die Tür hinter ihm zufiel, und ihre Augen begannen zu brennen. Sie schluckte die Tränen hinunter, trank ihren Kaffee aus und versuchte, ihr aufgewühltes Herz zu beruhigen. Dann stieg sie die Treppe zu ihrem Zimmer hoch, traurig und dankbar zugleich.
Schon im Gang hörte sie Belles Gebrabbel und Carls Lachen. Beide waren aufgewacht, und offensichtlich amüsierten sie sich prächtig.
Als sie eintrat, saß Carl auf dem Stuhl in der Sonne und ließ Belle auf seinem Schoß auf und ab hüpfen, was die Kleine mit freudigen Jauchzern quittierte. Carl wandte Emma den Kopf zu und lächelte. Hell strahlten seine meerblauen Augen auf.
Es stimmt . Es war nie anders, und es wird nie anders sein: Carl liebe ich mehr. Egal, wie gesund oder wie versehrt er ist, wie stark oder wie schwach.
Ich bin stark genug für uns beide.
Rasch ging sie zu ihrem Mann und Belle ans Fenster, beugte sich zu ihnen hinunter und umfing sie mit ihren Armen.
EPILOG
MÄRZ 1861
N icht weit vom Ursprung des Condamine River, oberhalb donnernder Wasserfälle, befand sich im dichten Regenwald ihr neues Lager.
Emma und Carl hatten sich in einiger Entfernung von den Hütten ein einsames Plätzchen gesucht und saßen nun träge im warmen Gras, beschattet von mächtigen Bäumen. Sie lehnten gemeinsam an einer hoop pine , die sich fast so weit in den Himmel erstreckte wie der Baum, unter dem sie ihr erstes Zelt errichtet hatten. Damals, im Lager am Bach.
Auch jetzt wohnten sie wieder am Wasser, dem Spring Creek, und doch war alles anders. Der Clan war auf das Doppelte seiner Größe angewachsen: Ohne law man und ohne Schamanen hatten die Schwarzen nicht leben wollen, also hatten sie sich ihren Stammesbrüdern vom Wasserfall-Clan angeschlossen, der Gruppe, zu der auch Nowalingus Mann gehörte.
Zu ihrer Erleichterung hatten die fremden Schwarzen Carl und Emma sofort akzeptiert. Birrinbirrin hatte ihnen erzählt, dass Emma den mächtigsten aller D’anba besiegt hatte, und das hatte genügt, um ihr auf ewig einen Platz in der Gemeinschaft zu sichern.
Emma lachte leise.
»Was gibt es denn so Lustiges?« Carl kitzelte sie mit einem langen Grashalm am Kinn.
Sie legte den Kopf an seine Schulter. »Ich musste gerade an Birrinbirrin und Nowalingu denken. Ständig brüstet sich Nowalingus alter Ehemann mit seinen drei jungen Frauen, dabei hat jede einzelne von ihnen einen Liebhaber. Nowalingu und Birrinbirrin sind solche Turteltäubchen, dass es nun wirklich nicht zu übersehen ist. Das hätte Birwain niemals geduldet!« Emma gluckste.
Carl stimmte nicht in ihr Lachen ein.
Stattdessen fragte er mit plötzlichem Ernst: »Sag, Emma, vermisst du John?«
Überrascht hob sie den Kopf und schaute Carl an. »Warum fragst du?«
»Na ja, diese Geschichte mit Nowalingu,
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