Der Ruf des Kookaburra
Carl seine Hand zurück.
Seufzend sagte Emma: »Niemand wird uns sehen, hm?«
Sie stand von Carls Schoß auf und richtete ihren Rock. Gerade noch rechtzeitig, denn schon kam Purlimil auf sie zu, an jeder Hand ein Kleinkind. Unbeholfen, aber enthusiastisch wackelten Belle und Gelar durchs Gebüsch.
»Endlich habe ich euch gefunden«, sagte Purlimil mit einem unschuldigen Lächeln. »Störe ich?«
»Aber nein. Wie kommst du denn darauf?«
Trotz des geplatzten Schäferstündchens musste Emma grinsen. Purlimil wusste ganz genau, was sie vorgefunden hätte, wenn sie nur Minuten später gekommen wäre!
Wie so oft in den letzten Monaten überkam Emma ein großes Glücksgefühl, dass sie nicht nur Carl, sondern auch ihre freche Freundin zurückbekommen hatte. Seit Carl befreit und Oskar tot war, hatte Purlimil ihre Schwermut nach und nach überwunden. Weil der besiegte D’anba ihre Seele hatte freigeben müssen, glaubten Yileen und Gunur. Weil es keinen Grund mehr gab für Schuldgefühle, glaubten die Scheerers. Wer wusste schon, welche Erklärung zutraf? Wichtig war bloß, fand Emma, dass die bleierne Schwere von Purlimils Seele gewichen war. Auf welche Weise auch immer.
Carl rappelte sich auf und stellte sich neben Emma. Leicht verstimmt sagte er zu Purlimil: »Ich dachte, ihr seid alle so furchtbar beschäftigt.«
»Sind wir auch«, erwiderte die Schwarze unbekümmert. »Die Marmbeja müssen angerufen und die D’anba ferngehalten werden, wir dürfen die Rituale dafür niemals wieder vernachlässigen. Der Schamane sagt, die Gefahr durch die D’anba sei noch lange nicht gebannt. Aber diese beiden hier, sosehr ich sie liebe, sind bei der Vorbereitung ein bisschen im Weg.« Sie ließ die Kinder los und gab ihnen einen kleinen Schubs in Richtung Carl und Emma. »Da dachte ich, ihr könntet eigentlich auf sie aufpassen. Ihr habt doch nichts zu tun, oder?«
»Fast nichts«, knurrte Carl, beugte sich aber hinunter und nahm Belle auf den Arm. »Na komm, kleine Dame. Wollen wir baden gehen?«
»Bagehn!«, stimmte Belle begeistert zu. Emma schnappte sich Gelar, und Purlimil machte sich zufrieden grinsend auf den Rückweg zum Lager.
»So viel zu ehelichen Freuden in der Wildnis«, sagte Emma mit einem dramatischen Seufzer, während sie eine seichte Stelle zum Planschen suchten. »Statt uns zu vergnügen, gehen wir brav mit unseren Kleinen an den Creek.«
»Ja, aber uns bleibt immer noch die Nacht.«
»Von wegen! Wir wollten doch dem Ritual beiwohnen, schon vergessen? John … ähm, die Regierung wartet auf neue Berichte.«
Sie sahen sich an, über die Köpfe der Kinder hinweg, die auf ihren Armen vor Vorfreude quietschten und zappelten.
»Möchtest du das wirklich, Emma?«, fragte Carl. »Beim letzten Mal, als du einem Ritual der Schwarzen beigewohnt hast, hat es übel geendet.«
»Diesmal wird es anders sein«, sagte Emma im Brustton der Überzeugung. »Oskar ist tot und der D’anba in ihm besiegt, wenn es ihn nun tatsächlich gab. Heute werde ich nur als Zuschauerin dabei sein. Als neutrale, sachliche Forscherin, die beobachtet, aber in keiner Weise beteiligt ist.«
»Neutral und unbeteiligt. Hört, hört.« Carl zog die Augenbrauen hoch. »Dann wirst du dich also nie mehr einmischen, wenn dir eine Sitte der Schwarzen nicht passt?«
»Nein, ich werde lediglich …« Emma stockte, ging in sich und sagte dann ehrlich: »Na ja, vielleicht doch. Wenn ich irgendetwas grausam finde, kann ich wahrscheinlich gar nicht anders, als zu protestieren.« Entschlossen fügte sie hinzu: »Aber ich werde es nicht mehr von oben herab tun, so wie früher, sondern mit Respekt. Und mit einer ordentlichen Portion Demut!«
»Eine demütige, wenn auch sehr wehrhafte Amazone also.« Carl verlagerte Belle auf seine Hüfte und legte Emma den freien Arm um die Taille. »Du überraschst mich immer wieder, weißt du das?«
Jetzt, dachte Emma, und ihr Herz begann ob dieser unvermuteten Gelegenheit zu galoppieren, jetzt sage ich es ihm.
»Die größte Überraschung kommt erst noch, Liebster. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, in ungefähr sechs Monaten.«
Wie vom Donner gerührt blieb Carl stehen und starrte Emma an.
Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er begriff.
Nachwort und Dank
Marmbeja, D’anba, spirituelle Besessenheit und Seelenraub – all das existiert wirklich, zumindest in der Welt der Aborigines.
Für »meinen« Clan habe ich aus den Glaubensvorstellungen unterschiedlicher
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