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Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Galbraith
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des Büroinhabers stand auf einem zerfledderten Zettel, der mit Klebestreifen neben dem Klingelknopf für die zweite Etage befestigt war. An einem anderen Tag und ohne den funkelnagelneuen Ring am Finger hätte sie so etwas abgeschreckt; heute jedoch waren das schmutzige Papier und der abblätternde Lack der Eingangstür genau wie die Penner in der vergangenen Nacht nur pittoreske Details der Kulisse, vor der sich ihre große Liebesgeschichte abspielte. Sie sah noch einmal auf die Uhr (wobei der Saphir glitzerte und ihr Herz einen Satz machte; ihr ganzes Leben lang würde sie dieses Glitzern betrachten können) und entschied sich in einem Anfall von Euphorie, früher als vereinbart zu erscheinen und Begeisterung für einen Job zu zeigen, der sie nicht im Geringsten interessierte.
    Sie wollte eben auf die Klingel drücken, als die schwarze Tür von innen aufgerissen wurde und eine Frau auf die Straße stürmte. Einen seltsam gedehnten Augenblick lang starrten die beiden Frauen einander direkt in die Augen und bereiteten sich auf einen Zusammenprall vor. Robins Sinne waren an diesem magischen Morgen ungewöhnlich scharf; sie sah das bleiche Antlitz ihres Gegenübers nur einen Sekundenbruchteil, bevor es ihnen gerade noch rechtzeitig gelang, einander auszuweichen. Dann war die dunkelhaarige Frau auch schon die Straße hinuntergeeilt und um die Ecke verschwunden. Trotzdem hatte sich Robin das Gesicht derart ins Gedächtnis geprägt, dass sie es ohne Probleme hätte nachzeichnen können – was nicht nur an seiner außergewöhnlichen Schönheit lag, sondern auch an seinem Ausdruck: wütend und zugleich seltsam euphorisch.
    Robin ergriff die Tür, bevor sie zufallen konnte, und betrat das schäbige Treppenhaus. Eine altertümliche Wendeltreppe wand sich um einen ebenso altmodischen, von einem Gitterkäfig umgebenen und funktionsuntüchtigen Aufzug. Vorsichtig, um mit ihren hohen Absätzen nicht in den schmiedeeisernen Trittflächen stecken zu bleiben, stieg sie hinauf. Im ersten Stock kam sie an einer Tür vorbei, an der ein laminiertes und gerahmtes Schild mit der Aufschrift Crowdy Graphics hing. Erst als sie die Glastür im nächsten Geschoss erreichte, wurde Robin klar, in welcher Branche sie diese Woche aushelfen sollte – bei der Zeitarbeitsagentur hatte ihr niemand darüber Auskunft geben können. In die Glasscheibe war der Name eingraviert, den sie schon neben der Türklingel gelesen hatte: C. B. Strike . Und darunter: Privatdetektiv .
    Robin blieb mit offenem Mund stehen, gefangen in einem Moment der Verblüffung, die selbst diejenigen, die sie gut kannten, nicht hätten nachvollziehen können. Sie hatte nie auch nur einer Menschenseele (nicht einmal Matthew) von diesem immer schon gehegten, geheimen, kindischen Wunschtraum erzählt. Und das ausgerechnet heute! Es kam ihr vor wie ein Wink des Schicksals (was sie zwangsläufig mit der Magie des heutigen Tages, mit Matthew und dem Ring in Verbindung brachte, obwohl zwischen diesen Dingen bei näherer Betrachtung überhaupt keine Verbindung bestand).
    Langsam, um den Moment auszukosten, trat sie auf die Glastür zu. Sie streckte die linke Hand nach der Klinke aus (der Saphir wirkte dunkel im trüben Licht), doch noch bevor sie sie ergreifen konnte, flog die Tür auf.
    Diesmal konnte sie nicht ausweichen. Hundert Kilogramm ungepflegter Mann krachten in sie hinein. Robin wurde von den Beinen gerissen und nach hinten geschleudert. Die Handtasche entglitt ihren Fingern, und mit rudernden Armen stürzte sie rücklings dem tödlichen Nichts des Treppenhauses entgegen.

2
    Strike spürte den Zusammenprall, hörte den gellenden Schrei und reagierte intuitiv, indem er einen seiner langen Arme vorschnellen ließ und eine Handvoll Stoff und Fleisch packte; ein zweiter Schmerzensschrei ertönte, dann schaffte er es mit Müh und Not, die Frau wieder auf festen Boden zu ziehen. Ihr Kreischen hallte noch immer von den Wänden wider, und ihm wurde bewusst, dass auch er selbst »Herr im Himmel!« gebrüllt hatte.
    Die Frau kauerte wimmernd und vor Schmerzen gekrümmt vor der Bürotür. Aus ihrer schiefen Körperhaltung und der Tatsache, dass sie eine Hand tief unter das Mantelrevers geschoben hatte, schloss Strike, dass er bei ihrer Rettung wohl ihre linke Brust gepackt hatte. Ein dichter, welliger Vorhang aus blondem Haar verbarg den Großteil ihres Gesichts, doch aus dem unverdeckten Auge konnte Strike Schmerzenstränen fließen sehen.
    »Scheiße – tut mir leid!« Seine laute

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