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Der Ruf des Kulanjango

Der Ruf des Kulanjango

Titel: Der Ruf des Kulanjango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Lewis
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nicht sehen. Iona hatte aus alten Obststeigen Sitze gezimmert und es gab Blechbüchsen und Schachteln und eine alte Sturmlaterne, die an einem Ast baumelte. Von hier aus konnte man über den nahen See bis hin zu den Bergenblicken und bis zum blauen Himmel, der sich hinter den Gipfeln erstreckte.
    »Das ist fantastisch«, staunte ich, »das ist einfach fantastisch!«
    »Schsch, du musst still sein«, sagte sie. Sie zog eine Leinentasche aus dem hohlen Stamm und schüttelte eine Decke hervor, ein altes Lederetui und eine Schachtel Kekse.
    »Ich versprech dir, dass ich niemandem was davon erzähle«, flüsterte ich.
    Sie warf mir einen Keks zu und verbiss sich das Lachen. »Das ist nicht das Geheimnis, du Dummi. Das Geheimnis ist viel besser als das, tausendmal besser.«
    Ich stopfte mir den Keks in den Mund. »Was ist es dann?«
    Sie deutete auf eine Gruppe Schottischer Kiefern auf der Insel, nicht weit vom Ufer des Sees entfernt. Die hochgewachsenen, nackten Stämme krönte ein Gewirr von dicht mit Nadeln bewachsenen Zweigen. Unsere Aussichtsplattform befand sich auf gleicher Höhe wie die Baumwipfel.
    »Was ist daran so besonders?«, fragte ich.
    »Sperr deine Augen auf, Callum«, sagte Iona. »Schau!«
    Ich konnte immer noch nicht erkennen, worauf sie deutete. Ein Stapel von Stöcken lag auf den höchsten Ästen, wie ein Haufen von der Flut angeschwemmtes Treibholz.
    Aber in dem Haufen bewegte sich etwas – etwas, das die einzelnen Stöcke in eine Ordnung brachte. Das war nicht nur ein zusammengewürfelter Haufen von dünnen Zweigen und Ästen. Irgendetwas wurde da aufgebaut.
    Und dann sah ich es.
    Ich sah das Geheimnis, das in unserem Tal verborgen lag. Niemand sonst wusste davon. Keine Mum, kein Dad, kein Graham, kein Rob, kein Euan.
    Nur ich und Iona.
    »Ist das nicht unglaublich?«, flüsterte Iona.
    Ich nickte nur.
    Mir fehlten die Worte.

Kapitel 5
    Zuerst konnte ich nichts weiter erkennen als den Kopf eines Vogels über dem Gewirr von Stöcken, einen cremefarbenen Kopf mit einem braunen Streifen über dem Auge. Dann tauchte der Rest des Vogels auf. Es war ein riesiges Exemplar, mit dunkelbraunen Flügeln und einem weißen Körper. Irgendetwas an ihm mutete urzeitlich an, als wäre er ein Geschöpf aus einer verschwundenen Welt, viel zu groß für diese Landschaft.
    »Ein Fischadler«, flüsterte ich. Ich konnte es kaum glauben. »Wir haben einen Fischadler hier auf unserem Land!«
    »Behältst du es auch wirklich für dich?«, fragte Iona.
    »Natürlich«, erwiderte ich. Ich hatte schon Fotos von Fischadlern betrachtet und den Nistbaum von zwei Fischadlern im nahe gelegenen Naturreservat gesehen, als ich Dad einmal geholfen hatte, Zäune und Nistkästen aufzustellen. Der Nistbaum im Reservat war von Stacheldraht umgeben und mit Überwachungskameras ausgestattet, um zu verhindern, dass Leute die Eier stahlen.
    »Die sind selten, wirklich selten«, sagte ich. »Die stehen unter Naturschutz.«
    »Ich wusste, dass ich dir trauen kann«, sagte Iona. Sie leerte die Keksschachtel aus. Es gab nur noch einen Keks. Sie brach ihn in zwei Teile und gab mir die größere Hälfte. »Ich hab ihn schon beobachtet, wie er anfing, das Nest zu bauen.«
    »Warum glaubst du, dass es ein ›Er‹ ist?«, fragte ich.
    Iona zog ein Vogelbuch aus ihrem Lederetui und zeigte mir das Foto. »Weibchen haben mehr braune Zeichnungen auf der Brust«, erklärte sie. »Und er kreist hoch in den Lüften und ruft. Er sucht ein Weibchen. Ich hab ihn die ganze Woche lang beobachtet.«
    »Dann wohnst du hier oben?«, fragte ich.
    Iona lachte und schüttelte den Kopf. »Nein, obwohl ich es gerne würde. Ich wohne im Moment bei meinem Großvater.«
    »Was ist mit deiner Ma?«, fragte ich. »Ist sie auch hier?«
    Iona runzelte die Stirn. »Ma arbeitet.« Sie zupfte Kiefernadeln von ihrem Pullover und schnipste sie in die Luft. »Sie ist Tänzerin, weißt du«, sagte Iona. »Meine Mutter ist Tänzerin.« Sie zog ein kleines goldenes Medaillon unter ihrem Shirt hervor und öffnete es. »Das ist sie.«
    Auf der einen Seite war ein Foto von Iona zu sehen und auf der anderen das Gesicht einer jungen Frau. Sie hatte flammend rotes Haar und dunkle Augen wie Iona.
    »Sie ist in all den großen Shows in London zu sehen«, sagte Iona, »und zu beschäftigt, um hier hochzukommen. Meine Ma ist richtig berühmt.«
    »Ich hab nie was von ihr gehört«, brummte ich.
    Iona machte ein finsteres Gesicht und steckte das Medaillon wieder unter das Shirt. »Na

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