Der Samurai von Savannah
am Funkraum und an der Kapitänskajüte, rasch und entschlossen. Er flüchtete nicht blindlings, ganz und gar nicht: Er hatte einen Plan, wie ihn Mishima, in seinem Kommentar zu Jōchō, empfohlen hatte. Man kann sich für eine Handlungsweise entscheiden , sagte Mishima, aber man kann nicht immer den Zeitpunkt wählen. Der Moment der Entscheidung dräut in der Ferne und holt einen ganz plötzlich ein. Sollte das Leben dann nicht darin bestehen, sich für diesen Moment der Entscheidung bereitzuhalten? So war es. Und er war bereit.
Weiter rannte er die Stufen empor, vorbei am Kartenraum, aus dem ihn Steuermann Wakabayashi erst zornig anfunkelte, um ihm dann hinterherzusetzen, vorbei am Ruderhaus, in dem der Erste Maat Kuma stocksteif vor dem Rad stand, und hinaus auf das Backbordnock, wo Leichtmatrose Dorai die herannahende Gestalt anglotzte, als hätte er noch nie zuvor einen Mann gesehen, der sich aufrecht auf zwei Beinen bewegt. Und dann, den wutschnaubenden Wakabayashi hinter sich und den reglosen Dorai vor sich, hielt Hiro inne, um sein Taschenmesser zu ziehen. Erinnerungen an all die amerikanischen Filme über tätowierte Straßengangster und die Finten ihrer Messerkämpfe schossen Dorai durch den Kopf, und er wich ein paar Schritte zurück, aber das Messer war gar keine Waffe. Es wurde zum Werkzeug. Mit zwei raschen Schnitten durchtrennte Hiro das Seil, mit dem der weiße Rettungsring an der Reling befestigt war, und während Wakabayashi über das Deck herangetrampelt kam und Dorai sich verängstigt duckte, sprang Hiro ins Leere hinaus.
Es waren einundzwanzig Meter von der Brücke bis zur Wasseroberfläche, aber von oben sah es eher aus wie einundfünfzig. Hiro zögerte keinen Augenblick. Er flog durch das Empyreum wie ein Kunstspringer, bevor er den Fallschirm öffnet, wie ein Adler, der aus seinem Horst herabstößt, doch hielt ihn nichts in diesem lieblosen Element, und das Meer raste ihm entgegen wie ein Bett aus Beton. Er schlug mit den Füßen zuerst auf, ließ den Rettungsring fahren, aber trotzdem riss die Wucht des Aufschlags ihm beinahe den festgeklebten Jōchō vom Körper. Als er wieder an die Oberfläche trieb und seine Lungen gierig die ach so wohltuende Luft einsogen, war die Tokachi-maru schon weit weg, schob sich über den Horizont wie ein zerfließender Berg.
Bei voller Kraft brauchte das Schiff fast zwei Meilen oder dreieinhalb Minuten, bis es zum Stillstand kam. Natürlich würden sie ihn suchen, das wusste Hiro, so wie er wusste, dass in diesem Moment die gesamte Besatzung auf dem Deck herumwuselte und »Mann über Bord« brüllte, aber er wusste auch, dass der engste Kreis, den das Schiff beschreiben konnte, fast eine Meile im Durchmesser maß. Er machte kraftvolle Schwimmstöße, seine Füße wirbelten das salzige Nass auf, die Arme hämmerten auf die Wellen ein. Er dachte nicht daran, sich direkt westwärts zu wenden und auf die ferne Küste zuzuhalten – damit rechneten sie wohl –, sondern er orientierte sich am Sonnenstand und schwamm genau nach Süden, in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Das Wasser war warm und tropisch und schimmerte wie tausend Juwelen. Er betrachtete die Vögel über sich, betrachtete die Wolken. Er klammerte sich an den Rettungsring und machte Beinschläge. Und die See trug ihn, umarmte ihn, hielt ihn im Arm wie ein lange verschollener Vater.
THANATOPSIS HOUSE
Ruth beobachtete den ganzen Morgen lang, wie sich das Gewitter zusammenbraute. Um halb sieben war es so dunkel, dass sie beinahe das Wecken verschlief, und sie zog sich im Halbdunkel Shorts und Oberteil an. Um sieben kam sie zum Frühstück herunter und nahm wie üblich ihren Platz am Stillen Tisch ein, und auch hier schien es, als wäre die Nacht noch nicht ganz vorbei. Owen Birkshead, der Geschäftsführer der Kolonie, hatte die Lampen in den Ecken eingeschaltet, aber draußen vor den Fenstern war alles grau und verschwommen. Im Innern war es stickig und schwül, die Luft so dicht, dass man sie fast zurechtstreichen konnte wie eine Daunendecke. Es kam noch kein Donnergrollen, kein Blitzstrahl oder Regenschauer, aber sie spürte das Gewitter mit jener tiefen, physischen Intuition herannahen, die sie mit dem Molch unter dem Stein und der in ihrem Netz lauernden Spinne verband. Natürlich konnte sie mit niemandem darüber reden, konnte nicht einfach sagen: »Sieht nach Regen aus«, oder: »Jetzt geht aber bald was los.« Nein. Sie saß, aus eigenem Entschluss, am Stillen Tisch.
Als Saxbys
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