Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)
das Land zu verlassen.
Die Agenten wechseln ein paar Worte auf Russisch.
Der Mann mit den kurzen weißen Haaren atmet tief durch und sagt dann schneidend:
»Sie haben über Material gesprochen, das der Geheimhaltung unterliegt, und wir müssen im Detail erfahren, welche Informationen Sie erhalten haben, ehe wir Sie zum Flughafen fahren können.«
Sie bleiben lange vollkommen regungslos stehen. Der Mann mit den weißen Haaren wirft einen Blick auf sein Handy, sagt auf Russisch etwas zu dem anderen, der als Antwort nur den Kopf schüttelt.
»Sie müssen jetzt reden«, sagt er und steckt das Telefon in die Tasche.
»Ich schieße Ihnen sonst in die Kniescheiben«, ergänzt der zweite.
»Also schön, Sie fahren nach Ljubimova, treffen sich mit Nikita Karpin und …«
Der Weißhaarige verstummt, als sein Handy klingelt. Er meldet sich und wirkt gestresst, wechselt ein paar kurze Worte am Telefon und sagt anschließend etwas zu seinem Kollegen. Der Dialog der beiden wird immer erregter.
148
Der Mann mit den schwarzen Augen ist gestresst, er bewegt sich seitlich und zielt mit seiner Pistole auf Joona. Der Kunststoffboden quietscht unter seinen Füßen. Er tritt aus dem Schatten, und das Licht der Stehlampe fällt auf seine Hand, so dass Joona erkennen kann, dass die schwarze Pistole eine Strizj ist.
Der Weißhaarige streicht sich mit der Hand über den Kopf, erteilt ungeduldig einen Befehl, sieht Joona sekundenlang an, verlässt das Zimmer und schließt die Tür hinter sich ab.
Der zweite Mann geht um Joona herum und stellt sich hinter ihn. Er atmet schwer und tritt unruhig auf der Stelle.
»Der Chef ist unterwegs«, sagt er leise.
Durch die Stahltür dringt wütendes Geschrei. Der Geruch von Waffenfett und Schweiß ist in dem kleinen Raum auf einmal penetrant.
»Ich muss es wissen – begreifen Sie das nicht?«, sagt der Mann.
»Wir haben über den Serienmörder …«
»Lügen Sie mich nicht an«, schreit er. »Ich muss wissen, was Karpin Ihnen erzählt hat!«
Joona hört die ungeduldigen Bewegungen des Mannes hinter seinem Rücken, spürt, dass er näher kommt, und sieht vage einen Schatten, der über den Boden huscht.
»Ich muss jetzt nach Hause fahren«, sagt Joona.
Der Mann mit den schwarzen Augen bewegt sich schnell und presst die Mündung seiner Pistole schräg von rechts kommend fest gegen Joonas Nacken.
Seine schnellen Atemzüge sind deutlich zu hören.
In einer einzigen, fließenden Bewegung zieht Joona den Kopf weg, dreht sich um, holt mit der rechten Hand nach hinten aus, schlägt die Waffe zur Seite und richtet sich auf. Er bringt den Mann aus dem Gleichgewicht und packt den Lauf der Pistole, dreht ihn so, dass er auf den Fußboden gerichtet ist, und reißt die Waffe hoch, so dass die Finger gebrochen werden.
Der Mann brüllt auf, und Joona schließt seine gewaltsame Bewegung mit einem Kniestoß gegen Nieren und Rippen ab. Durch die Wucht des Schlags hebt ein Bein des Mannes vom Boden ab, und er macht einen halben Salto rückwärts, so dass der Stuhl unter ihm zerbricht.
Joona ist bereits zurückgetreten und hat die Pistole auf ihn gerichtet, als er sich hustend auf die Seite dreht und die Augen öffnet. Er versucht, sich aufzurichten, hustet jedoch wieder, bleibt mit der Wange auf dem Boden liegen und tastet seine verletzten Finger ab.
Joona holt das Magazin heraus und legt es auf den Tisch, entfernt die Kugel aus dem Lauf und baut die Waffe anschließend komplett auseinander.
»Setzen Sie sich«, sagt Joona.
Als der Mann mit den dunklen Augen aufsteht, stöhnt er vor Schmerzen. Er setzt sich und betrachtet mit gerunzelter Stirn die aufgereihten Einzelteile der Pistole. Seine Stirn ist schweißbedeckt.
Joona steckt die Hand in seine Hosentasche und holt einen sauren Drop heraus.
»Ota poika karamelli, niin helpottaa«, sagt er.
Der Mann sieht Joona verblüfft an, als dieser das Bonbon aus dem gelben Zellophan holt und es ihm in den Mund steckt.
Die Tür geht auf, und zwei Männer treten ein. Der eine ist der Mann mit den silbergrauen Haaren und der andere ein älterer Herr mit Vollbart, der einen grauen Anzug trägt.
»Wir bitten vielmals um Entschuldigung für dieses Missverständnis«, sagt der ältere Mann.
»Ich muss so schnell wie möglich nach Hause«, erwidert Joona.
»Selbstverständlich.«
Der bärtige Mann begleitet Joona aus der Wohnung. Sie nehmen den Aufzug zu einem wartenden Auto und fahren gemeinsam zum Flughafen.
Der Chauffeur trägt Joonas Koffer, und der
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