Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)
weil alles ausgegraben wird. Eine Kiesgrube ist ein Loch, das täglich größer und tiefer wird.
Dichter Schnee fällt durch künstliches Licht. Er läuft an riesigen Steinbrechern mit hohen Förderbändern vorbei.
Er befindet sich noch in den neueren Teilen der Grube. Der Sand ist nicht von Schnee bedeckt, man sieht, dass hier täglich gearbeitet wird.
Hinter den Maschinen stehen blaue Bauwagen.
Als das Licht eines Scheinwerfers an einem Sandhaufen vorbeifällt, fliegt Joonas Schatten auf dem Erdboden an ihm vorbei. In einem halben Kilometer Entfernung sieht er verschneites Gelände vor hohen, steilen Hängen. Dies müssen die älteren Teile der Kiesgrube sein.
Er steigt eine steile Böschung hinauf, die von weggeworfenem Müll, alten Kühlschränken, kaputten Möbeln und anderem Gerümpel übersät ist. Er rutscht im Schnee aus, stapft aber weiter hinauf. Steine rollen hinter ihm die Böschung herunter, er räumt ein verrostetes Fahrrad aus dem Weg und stolpert auf die Kuppe hinauf.
Jetzt befindet er sich auf der ursprünglichen Höhe des Felsrückens, der mehr als vierzig Meter höher liegt als der neue Erdboden. Von hier aus kann er den Blick über die geschändete Landschaft schweifen lassen. Die kalte Luft sticht in seiner Lunge, als er auf die hell erleuchtete Sandgrube mit Maschinen, provisorischen Straßen und Sandbergen hinunterblickt.
Er läuft auf dem schmalen Streifen aus schneebedecktem Gras zwischen der steil abfallenden Böschung und dem Älvsundavägen.
Vor dem Bauzaun mit Warnschildern und dem Emblem der Wach- und Schließgesellschaft liegt ein verbeultes Autowrack am Straßenrand. Joona bleibt stehen und blinzelt in den fallenden Schnee. Am hinteren Ende des ältesten Grubenteils gibt es eine asphaltierte Fläche mit einer Reihe einstöckiger Häuser, die dort schmal und gerade stehen wie Mannschaftsräume in Kasernen.
151
Joona steigt über rostigen Stacheldraht und eilt zu den alten Häusern mit den eingeschlagenen Fenstern und Graffitis auf den verputzten Backsteinfassaden.
Es ist dunkel hier oben, und Joona zieht seine Taschenlampe heraus. Er richtet den Lichtkegel nach unten, geht weiter und leuchtet zwischen die flachen Gebäude.
Das erste Haus hat keine Tür. Der Schnee ist einen Meter weit ins Haus hinein auf den längst schwarz und morsch gewordenen Holzboden geweht worden. Das Licht der Taschenlampe huscht über alte Bierdosen, schmutzige Decken, Kondome und Latexhandschuhe.
Er stapft weiter durch tieferen Schnee, geht von Tür zu Tür und schaut durch gesprungene oder eingeschlagene Fensterscheiben. Diese alten Unterkünfte für Gastarbeiter sind schon vor vielen Jahren aufgegeben worden. Alles ist schmutzig und leer. An manchen Stellen ist die Decke eingestürzt, und es fehlen ganze Wände.
Er wird langsamer, als er sieht, dass die Fenster des vorletzten Hauses ganz geblieben sind. Vor der Fassade liegt ein umgekippter, alter Einkaufswagen.
Auf der einen Seite des Hauses fällt der Boden sehr steil zum Grund der Kiesgrube ab.
Joona schaltet die Taschenlampe aus, nähert sich vorsichtig, erreicht die Fassade, bleibt stehen und lauscht eine Weile, ehe er die Lampe wieder einschaltet.
Man hört nur den Wind, der über die Dächer streicht.
Einige Meter vor sich kann er in der Dunkelheit die Konturen des letzten Hauses in der Reihe erahnen. Es scheint kaum mehr zu sein als eine verschneite Ruine.
Er geht zum nächstgelegenen Fenster und leuchtet durch die schmutzige Scheibe hinein. Das Licht gleitet langsam über eine schmutzige Kochplatte, die an eine Autobatterie angeschlossen ist, ein schmales Bett mit ein paar dicken Decken, ein Radio mit einer glänzenden Antenne, Wasserkanister und ungefähr zehn Konservendosen.
Als er zur Tür kommt, sieht er in der oberen linken Ecke eine kaum mehr lesbare Vier.
Dies könnte tatsächlich die Gastarbeiterwohnung Nummer vier sein, von der Nikita Karpin gesprochen hat.
Joona drückt behutsam die Klinke herunter, die Tür gleitet auf, er tritt ein und schließt sie hinter sich. Es riecht nach alten, feuchten Stoffen. Auf einem abgewetzten Regal liegt eine Bibel. Die Wohnung besteht nur aus einem Zimmer mit einem Fenster und einer Tür.
Joona ist sich bewusst, dass er in diesem Moment von außen deutlich zu sehen ist.
Der Holzboden knarrt unter seinem Gewicht.
Er leuchtet die Wände entlang, an denen in Stapeln stockfleckige Bücher liegen. In einer Ecke blitzt das Licht der Taschenlampe auf.
Er geht näher heran und sieht, dass
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