Der Schachspieler
Zwölferpackung Mineralwasser, ein Kunststoffbehälter mit Kool-Aid-Getränkepulver und eine halb volle Packung Mais-Chips. Auf etwaige Heißhungerattacken war Adrien wohl bestens vorbereitet. Doch dann musste etwas passiert sein, bevor Adrien seine Bong hervorholen konnte. Etwas, das seine Zeit des Eishasch-Genusses für immer beenden sollte.
In verschiedenen Fächern wurde noch einiges mehr gefunden: ein Zwölferpack Trojan Magnum-Twister-Kondome, mehrere Flaschen Sonnencreme, eine halb volle Tube K-Y-Gleitgel, ein Schiffstau, Badehosen, ein paar Bikinis für weibliche Gäste, die mehr offenbarten als sie verhüllten, sowie fast hundert Kilo an Hanteln. Cady stellte sich die Zwillinge in weiblicher Gesellschaft vor, wie sie kurz in der Kabine verschwanden, um sich die Badehosen anzuziehen und ein paar Hantelübungen zu machen, um noch schnell die Muskeln aufzupumpen, bevor sie sich wieder an Deck zeigten.
Der Blick in Adriens Wohnung offenbarte, dass beide Brüder großen, nach Cadys Ansicht sogar übertriebenen, Wert auf Ordnung legten, denn selbst die Schmutzwäsche in den Körben war fein säuberlich gefaltet. In den Spülen aus schwarzem Granit lagen ebenso wenig schmutzige Teller wie im Geschirrspüler, und obwohl sie niemanden zur Reinigung der Wohnungen beschäftigten, war nirgends die kleinste Staubfluse zu sehen.
Die Ermittler befragten ehemalige Freundinnen der beiden. Allem Anschein nach hatte keiner der Zalentine-Zwillinge je eine längere Beziehung geführt. Ihre Affären überdauerten selten die Dreiwochenmarke. Vance Zalentine hatte die beiden richtig eingeschätzt: Seine Jungs konnten recht einnehmend sein – extremer Reichtum war dabei natürlich hilfreich –, doch sie hatten es faustdick hinter den Ohren. Cady bekam Geschichten zu hören, wonach Adrien und Alain ein neues Mädchen einluden und umgarnten, bis einer der Brüder mit ihr ins Bett hüpfte. Anschließend teilte er die Eroberung mit seinem Bruder, indem sich einer für den anderen ausgab, sodass sie stets beide ihre Freundinnen im biblischen Sinne kennenlernten. Danach setzten sich die beiden nebeneinander auf die Ledercouch und verrieten der Ahnungslosen, wie sie mit ihr gespielt hatten. Mit großen blauen Augen ergötzten sie sich an der geschockten Reaktion der Unglücklichen, als wohnten sie einem Naturschauspiel bei.
Eine dieser Exfreundinnen brachte es ziemlich treffend auf den Punkt: »Da, wo man eigentlich ein Herz haben sollte, war bei ihnen nichts. Zwei Arschlöcher, die sich immer neue Opfer für ihre dreckigen Spielchen suchten.«
Die befragten Exfreundinnen konnten hieb- und stichfeste Alibis vorweisen.
Special Agent Dan Kurtz, der Altmeister unter den FBI-Waffenexperten, untersuchte die tödliche Kugel des Kalibers .45 ACP: Sie war in Alain Zalentines Stirn eingedrungen, durch den Hinterkopf ausgetreten, hatte die Wandkachel durchschlagen und war in einer Gipskartonplatte stecken geblieben. Das Projektil stammte mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einer Sig Sauer P220. Verdammt, dachte Cady, es gab immer noch FBI-Agenten, die eine Sig benutzten, einfach um der alten Zeiten willen. Die Waffe hatte genug Punch, um eine beachtliche Eintrittswunde und eine hässliche Austrittswunde zu erzeugen. Der Täter hatte die P220 wahrscheinlich auch benutzt, um Adrien Zalentine auf seinem Segelboot zu ermorden.
Schlau wie er war, ließ Kurtz eine digitale Abbildung der Kugel durch die IBIS-Datenbank, das Integrated Ballistics Identification System, laufen, um nach einer möglichen Verbindung der Sig Sauer P220, mit der Alain Zalentine erschossen worden war, zu anderen Verbrechen zu suchen. Leider ergab sich keine Übereinstimmung. Cady schätzte die Chancen, auf diese Weise zur Tatwaffe zu gelangen, ungefähr so hoch ein, wie Bigfoot oder den Heiligen Gral zu finden. Der Täter wäre dumm gewesen, hätte er die Pistole nicht in die Chesapeake Bay geworfen, als er sich vom Ort seines Rendezvous mit Adrien Zalentine entfernte.
Cady schloss die Zalentine-Akte. Sein Blick fiel auf das Reuben-Sandwich, das er nicht angerührt hatte, dann auf die Uhr und schließlich auf das Doppelbett. Fast zwei Uhr nachts. Cady war geistig und körperlich am Ende seiner Kräfte, doch wie sollte er schlafen bei all diesen Gedanken an die Zalentine-Zwillinge, die ihm im Kopf herumschwirrten. Er ging ins Badezimmer, spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und fragte sich einmal mehr, warum er Jund den Gefallen getan und den Auftrag übernommen
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