Der Schädelring: Thriller (German Edition)
üblicherweise mit schlechten Nachrichten. In letzter Zeit gab es jedoch nur solche. „Hallo?“ sagte sie und versuchte, verschlafen zu tönen.
„Julia.“
„Frau Doktor?“
„Sie gehorchen meinen Anweisungen nicht.“
„Wie bitte?“ Julia setzte sich im Bett auf.
„Ich sagte Ihnen, dass Sie sich von jenem Mann fernhalten sollten. Er ist Ihrer Heilung nicht förderlich.“
„Welcher Mann?“
„Sie wissen es schon. Haben Sie geträumt?“
Julia versuchte sich zu erinnern, obschon sie wusste, dass nur böse Dinge in den grauen Schatten des Halbbewusstseins lauerten. „Ja, ich träumte, dass Vati mich in einem Zimmer einschloss, aber das Zimmer war in Wirklichkeit eine Kiste. Ich konnte nicht atmen und ich schlug mit den Armen an die Seiten der Kiste, um mich zu befreien –“
Sie bemerkte, dass ihre Arme schmerzten und fragte sich, ob sie wohl im Schlaf um sich geschlagen hatte.
„Sie wissen doch, was das bedeutet, Julia?“
„Nein.“ Julia fürchtete sich vor einer möglichen Antwort.
„Ihr Vater hatte Sie jahrelang unterdrückt, bevor die tatsächliche Misshandlung geschah.“
„Aber ich war ja nur ein kleines Kind. Wie könnte ich mich an all das erinnern?“
„Die Erinnerung liegt im Körper, Julia. Einige Frauen berichteten über versuchte Abtreibungen; sie erinnerten sich an Dinge, die geschahen, als sie sich noch in der Gebärmutter befanden.“
„Bevor sie überhaupt geboren wurden?“ Julia war jetzt voll bei Bewusstsein. Ihr Herz raste und jegliche Entspannung, die sie im Schlaf gewonnen hatte, war verschwunden.
„Wir sind erst am Anfang in unserer Erforschung des menschlichen Gedächtnisses und der Art, wie das Gehirn Informationen speichert. Es ist möglich, dass das Gedächtnis auf der zellularen Ebene wirkt und dann wäre sogar der Augenblick der Empfängnis irgendwo aufgezeichnet. Das Problem liegt natürlich beim Abfragesystem. Deshalb brauchen Sie Hilfe.“
Julia dachte an Walters Worte, dass es manchmal besser war, die Vergangenheit allein zu lassen. „Vielleicht ist es gar nicht gut, sich an all dies zu erinnern.“
Dr. Forrest seufzte. Julia wunderte sich, ob sie je schlief.
„Julia, wir müssen Sie heilen. Wir benötigen mehr Überlebende. Die Macht liegt in der Menge. Es geht um die Wahrheit. Und es geht darum, anderen zu helfen.“
„Ich . . . weshalb haben Sie mir nicht früher gesagt, dass auch Sie missbraucht wurden?“
„Weil ich die Ärztin bin, Julia. Ich habe es Ihnen nur gesagt, damit Sie wissen, dass Sie nicht allein sind.“
Julia versuchte, sich die Dunkelheit aus den Augen zu wischen. „Wie spät ist es?“
„Kurz nach vier Uhr.“
„Weshalb rufen Sie mich an?“
„Sie brauchen mich, oder etwa nicht?“
„Natürlich.“
„Sagen Sie mir, was sonst noch in Memphis geschehen ist.“
„Ich habe Ihnen alles erzählt.“
Mit Ausnahme der hölzernen Bauklötze auf dem Tisch und des silbernen Schädelrings und vielleicht einiger anderer Dinge, die ich entweder vergessen habe oder die ich von mir selbst verberge.
„Julia, Sie sollten keine Geheimnisse vor Ihrer Therapeutin haben.“
„Ich habe keine Geheimnisse.“
„Sie haben mit einem Detektiv gesprochen. Sie gingen zum Haus zurück, in dem Sie aufgewachsen waren. Sie sahen die Scheune, wo sie Opfer des satanischen Rituals waren. Warum haben sie nicht die Polizei angerufen und ihr von der Scheune berichtet?“
Wer hatte ihr diese Dinge erzählt? „Weil ich mich fürchtete.“
„Wovor fürchten Sie sich? Sie sollten sich nie vor der Wahrheit fürchten.“
„Weil ich dachte, dass die Polizei mir sowieso nicht glauben würde. Sie hätten mir auch nicht geglaubt, dass Mitchell mich angegriffen hat.“
„Bin ich die Einzige, der Sie vertrauen können?“
Nein. Vielleicht könnte sie Walter vertrauen. Oder? Ihre Schläfen pulsierten und sie rieb sich die Stirne. „Ja, Dr. Forrest.“
„Dann werden Sie tun, was ich Ihnen sage?“
„Ich will, dass es mir besser geht.“
„Kommen Sie heute zu mir ins Büro. Ich möchte Ihnen jemanden vorstellen.“
„Heute?“ Julia dachte an die Belegschaftsversammlung bei der Zeitung. Sie musste noch viel Arbeit erledigen.
„Zehn Uhr morgens.“
„Ich glaube nicht, dass das möglich ist.“
„Sie müssen kommen. Sie möchten doch geheilt werden?“
„Ja.“
„Sie möchten der Mensch werden, der Sie wirklich sind.“
„Ja.“
„Sie wollen doch frei sein.“
„Natürlich.“
„Er
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