Der Schädelring: Thriller (German Edition)
gesagt habe.“
„Gute Nacht“, sagte Walter zu der alten Frau, die kurz mit der Hand winkte.
Julia ging zu ihrem Haus und Walter begleitete sie. Als sie außer Hörweite von Mabel Covington waren, sagte Walter, „Sie ist ein eigenartiges altes Ding, nicht?“
„Alle hier sind eigenartig“, sagte Julia.
„Alle? Was soll das heißen?“
Es heißt, dass du mein Haus nicht mehr betreten würdest, wenn ich nicht Angst hätte, dass dort ein Unhold warten könnte. Es heißt, dass ich womöglich gar nicht verrückt bin, sondern dass der Rest der Welt übergeschnappt ist, dass ich ein einsamer, geistig gesunder Teil bin, der nicht in das Puzzlespiel des Lebens passt.
„Ich bin nur müde und schwatze so dahin.“ Julia stöberte in der Tasche und suchte nach dem Schlüssel. Sie griff mit der Hand nach dem Pfefferspray und schloss die Tür auf. Bevor sie das Haus betrat, schaute sie zu Mabel Covingtons Veranda hinüber. Die Frau hatte eine weitere Zigarette angezündet und die glühende Spitze bewegte sich im Rhythmus ihres Schaukelns. Julia ging hinein, schaltete das Licht ein und blinzelte gegen den hellen Schein.
„Lassen Sie die Tür offen, bitte“, sagte sie zu Walter.
„Die Mücken werden sie auffressen.“
„Über die Mücken mache ich mir keine Sorgen.“ Sie ließ den Pfefferspray in die Tasche gleiten, wo sie sie bei Bedarf schnell wieder hinausziehen konnte. Sie setzte sich nicht hin und hoffte, dass Walter das Zeichen verstehen würde.
„Ihr Auge sieht besser aus“, sagte sie. Die Schwellung war abgeklungen, aber die Haut um das Auge herum war noch rot.
Walter nahm die Uhr aus der Tasche und setzte sie auf den Kaffeetisch neben die Baseballkarten. „Wie ich schon sagte, ich bin kein Elektronikexperte, aber ich fand nichts. Die Leiterplatte ist in Ordnung und ich habe noch nie gehört, dass ein Mikrochip sich plötzlich wie verrückt verhält.“
„Ihre Diagnose wäre also, sie wegzuwerfen?“
„Manchmal muss man etwas einfach ersetzen.“
Sie ging zum Flur und gähnte, obschon ihr Herz raste. „Ich bin müde, Walter. Es war ein langer Tag.“
Walter nickte, schaute sie aber nicht an. Dachte er wohl an ihr Schlafzimmer weiter vorne im Flur? Oder an seine vermisste Frau?
„Danke, dass Sie sich die Uhr angeschaut haben“, sagte Julia. Sie wunderte sich, ob sie den Schläger unter dem Bett schnell genug erreichen konnte, falls er sie angreifen würde. Sie versuchte, müde auszusehen, ärgerte sich dann, dass sie dem einzigen Menschen, der ihr geholfen hatte, misstraute.
„Sie hat davon angefangen, nicht?“ Walter starrte noch immer auf den Boden oder vielleicht in die Vergangenheit.
„Wovon angefangen?“
„ Von meiner Frau.“
Julia schob die Hand in die Tasche und fühlte nach dem Pfefferspray. „Na, ja . . .“
Walter ballte seine Fäuste. Sein Gesicht wurde straff und die Lachfältchen in den Wangen verloren ihr fröhliches Aussehen. „Sie hatte womöglich etwas damit zu tun.“
Julia wusste nicht, ob Walter seine frühere Frau oder Mabel Covington meinte. „Frau Covington?“
Walter ging zur offenen Tür, ohne Julia anzuschauen. „Nichts. Die Vergangenheit ist nicht mehr wichtig.“
Er war dabei, wegzugehen und so zu tun, als ob nichts geschehen wäre. Sie konnte dies nicht zulassen. Sie wollte dieses vage Gefühl, das sich in ihr regte, sobald er anwesend war, nicht verlieren.
Julia eilte ihm nach und wunderte sich, ob wohl Mabel Covington auf ihrer Veranda war und Ausschau hielt und ihre Ohren spitzte, um den neuesten Klatsch zu vernehmen. „Walter, die Vergangenheit ist wichtig. Vor allem, wenn sie schmerzt.“
Walter drehte sich um; ein trauriges Lächeln umspielte seinen Mund. „Nein. Wenn die Vergangenheit schmerzt, dann muss man sie vergessen. Man vergräbt sie so tief wie die Hölle, so wie man es mit dem Lieblingshaustier tut, wenn es stirbt. Dann kniet man sich hin und betet. Am meisten fragt man sich jedoch, weshalb Gott etwas so Schreckliches zulassen kann.“
Julia ertappte sich dabei, wie sie die Aphorismen von Dr. Forrest wiedergab. „Nein. Sie müssen die Vergangenheit ausgraben, an die Oberfläche bringen und ihre Macht über Sie anerkennen. Und dann können Sie gesund werden.“
Walter schüttelte den Kopf. „Tönt ganz nach diesem New Age-Quatsch, den sie in den kleinen Geschenkboutiken in der Stadt verkaufen.“
„Sie sind religiös. Was glauben Sie, was Gott in diesem Fall von uns will?“
„Weiterleben. Wir sollen etwas finden,
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