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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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zuvor Ministerialsekretär Ullrych, die rechte Hand von Vizeminister Frietrych, in den Aufenthaltsraum des Sicherheitsbüros gerauscht war und um einen Begleitgang hinab in die Neunzehnte gebeten hatte, lag Sygmundts offizielles Dienstende bereits mehr als zwei Stunden zurück. Der Inspektor wunderte sich zwar, dass ausgerechnet Ullrych, ein wenig geselliger Mann, bekannt dafür, seine Aufgaben stets allein zu verrichten, Begleitung für den Weg zum Schürfministerium beantragte; er schrieb dies aber der für einen Beamten fraglos unverschämt späten Stunde zu. Zudem wusste kaum jemand so gut wie Sygmundt, dass für jeden Zwerg irgendwann der Tag kam, an dem er das Geräusch seiner eigenen einsamen Schritte in den meilenlangen Korridoren nicht mehr ertrug, an dem die Leere der Treppenhäuser und Aufzugsschächte mit etwas inhaltsloser Konversation gefüllt werden musste.
    Sygmundt war klar gewesen, dass ihn Hin- und Rückweg in die Neunzehnte mindestens eine weitere Stunde von seinen Kissen und Bruttas schlaftrunkener Umarmung fernhalten würden. Dennoch hatte er den Marsch ohne zu murren angetreten. Er versah seinen Posten lange genug, um zu wissen, dass man im Angesicht höher stehender Ränge zu funktionieren hatte. Darüber hinaus handelte es sich bei der Aufstellung über das im zurückliegenden Zenit geförderte Grobonskonit, die Sekretär Ullrych im Schürfministerium abholen sollte, um ein wichtiges Dokument. Prozentuale Erfüllung des Plansolls, anteiliger Wegfall erschöpfter Stollen, geografische Erstreckung neu zu erschließender Fördersektoren – all dies und vieles mehr dokumentierte Borkudd, der Oberste Schürfminister, in seiner turnusmäßigen Aufstellung für Lordprotektor Hindrych penibel bis auf sechs Stellen hinter dem Komma. Die Zahlen beeinflussten die Abgabepreise des Einzelhandels, die Inflation der Löhne und nicht zuletzt die Zinsentwicklung bei der Barlyner Staatsbank, der zweiten wirtschaftlichen Säule von Lordprotektor Hindrychs kleinem Reich. Es gab daher kaum einen Zwerg, der der Verkündigung der Zenitbilanz in der Zweitagsausgabe der Grubenlampe nicht nervös entgegengefiebert hätte; lautstarker Jubel war anlässlich der Veröffentlichung der Zahlenkolonnen ebenso häufig in den Straßen anzutreffen wie lange Gesichter und missmutiges Getuschel.
    Andererseits war das Abholen der Dokumentation in Minister Borkudds Büro in der Neunzehnten kein Staatsakt, weswegen üblicherweise keinerlei Sicherheitsmaßnahmen nötig waren. Die Bilanz war nicht geheim, nur eineinhalb Tage später würde sie veröffentlicht werden. Sollte sie auf dem Weg vom Schürfministerium zur Verwaltung abhandenkommen, hätte Borkudd noch immer seine Durchschläge; im schlimmsten Fall konnte er die Statistiken neu berechnen. Es bestand daher nicht wirklich Grund für Geleitschutz – was Ullrych nicht davon abgehalten hatte, den Sicherheitsinspektor als Begleiter zu ordern.
    Müde wandte Sygmundt den Kopf. Neben ihm bearbeitete der Ministerialsekretär noch immer mit schier unerschöpflicher Energie die Tür.
    Ullrych war etwa drei Fingerbreit größer als er, erfüllte mit seinen vier Fuß das Gardemaß der männlichen Einwohner Barlyns beinahe aufs Haar. Er trug die typische Montur aus grobem grauem Stoff, die im behördlichen Bereich üblich war: Gehrock mit langen Schößen, Weste, Kniebundhosen und spitze Schnallenschuhe. Sygmundts Blick verweilte desinteressiert auf Ullrychs haarigen Waden, und er hoffte inständig, dass dieser Einsatz bald enden möge.
    Als sie das Schürfministerium in der Neunzehnten erreicht hatten, war dort natürlich längst niemand mehr anzutreffen gewesen. Die mehrstöckige Front des Gebäudes, gehauen aus der Seitenwand eines gewaltigen natürlichen Gewölbes, war unbeleuchtet. Schwarze Fensteröffnungen starrten auf den von der gedämpften Nachtbeleuchtung spärlich erhellten Vorplatz herab. Doch Ullrych war vorbereitet: Er zückte einen Schlüssel, öffnete das Hauptportal und stieg zielstrebig in den zweiten Stock empor. Sygmundt folgte ihm pflichtschuldig.
    Am Ende eines langen Korridors stießen sie auf zwei Türen. Die erste war unverschlossen. Ullrych öffnete sie kurz und warf einen Blick hinein. Aber Herr Hellmuth, Borkudds Sekretär, war ebenfalls längst fort.
    Vor der zweiten Tür, der letzten des Flurs, standen sie jetzt seit etlichen Minuten, ohne dass sich etwas tat.
    »Und Sie sind sicher, dass er noch drin ist?«, wandte sich Sygmundt an den unverdrossen

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