Der Schaedelschmied
Dingern, die die Brüder in den Stollen verwendeten, um Pflöcke ins Gestein zu treiben, Verstrebungen zu setzen oder Grobonskonitbrocken zu spalten, dennoch massiger als das Werkzeug, welches man gewöhnlich in einem Zwergenhaushalt antraf. Der Stiel bestand aus feuergehärtetem Holz, der eiserne Kopf war massiv und beinahe kubisch. Schwärzlich verkrustetes Blut zog sich in einem unregelmäßigen Muster über das glatte Metall.
»Ich möchte behaupten, mit diesem Ding hat einer unserem Minister den Denkkasten perforiert«, bemerkte der Wachmann mit abschätzigem Blick. »Ganz schön fiese Methode, einem das Licht auszublasen, wenn Sie mich fragen.«
»Ich frage Sie nicht«, stellte Sygmundt halblaut fest.
In den folgenden Sekunden war nichts zu hören außer den allmählich nachlassenden Würgegeräuschen Ullrychs draußen auf dem Flur. Sygmundt starrte den Hammer an, dann glitt sein Blick ins Leere. Langsam trat er vom Schreibtisch zurück, warf einen letzten Blick von einer Seite des Raums zur anderen.
Betrachtete die unebenen, aus dem Fels gehauenen Wände, die niedrige, massive Steindecke; Minister Borkudd, hingestreckt an seinem Arbeitsplatz, pfundweise Barlyner Qualitätsstahl im Schädel.
Er drehte sich um, fixierte die Tür; das massive Schloss, mit dem von innen steckenden Schlüssel; die unterarmdicken Metallriegel; die Beschädigungen, die die Männer mit erheblichem Aufwand verursacht hatten.
Sygmundt spürte, wie sich die Gänsehaut auf seinem Rücken verstärkte.
Nichts ließ darauf schließen, dass der Wachmann mit seiner spontanen Rekonstruktion unrecht hatte. Irgendjemand musste in Schürfminister Borkudds Büro eingedrungen sein und den alten Mann auf bestialische Weise ermordet haben. Daran gab es nichts zu rütteln.
Blieb nur eine Frage: Wie, bei Lorgons Allmacht, hatte der Täter in einen sachkundig verschlossenen Raum neunzehn Stockwerke unter der Erde gelangen und diesen anschließend verlassen und von innen verriegelt zurücklassen können?
Sicherheitsinspektor Sygmundt stolperte in den Flur hinaus und wünschte sich inständig, er hätte heute ausnahmsweise pünktlich Feierabend gemacht.
1
Gedankenverloren betrachtete Jorge der Troll seine Handprothese. Als nähme er sie zum ersten Mal in seinem Leben bewusst wahr, bewegte er die aus Messing und Eleutery-Stahl geschmiedeten Fingerglieder, die in einem schwarzen Handschuh steckten, animiert durch kunstvolle Mechanik und hochstufige Thaumaturgie. Leder knirschte.
Er bereute es nicht wirklich, seine Linke verloren zu haben, jedenfalls an neun von zehn Tagen. Der Unfall war in Ausübung seiner Pflicht passiert, in Torrlem, der Stadt der Toten, als er gemeinsam mit seinem Vorgesetzten versucht hatte, einen monströsen Serienmörder zu stellen. Abgesehen von den viehischen Schmerzen war die Sache recht glimpflich abgegangen, und schon kurze Zeit später hatte er die wirklich wichtigen Dinge des Lebens – essen, trinken, weiteressen und gelegentlich einem uneinsichtigen Gegenüber die Fressleiste verbiegen – mit seiner mechanisch-thaumaturgischen Hand ebenso gut ausführen können wie mit der alten. Allein bei einem Aspekt trollspezifischer Vergnügungen erschien sie ihm noch immer als unübersehbarer Makel, wie ein Klumpfuß oder eine Nase voll haariger Warzen.
Seufzend ließ er die Hand in seinen Schoß zurücksinken und betrachtete stattdessen die mit Samt ausgekleideten Wände ringsum. Sofort nahmen Gemälde von nackten Schönheiten in aufreizenden Posen seinen Blick gefangen. Neben der Eingangstür stand ein kleiner, sprudelnder Fontänenbrunnen, aus dem unablässig dunkelroter Wein sprudelte. Die Luft roch nach Rosenkaldaven und Asphyxilien. Betörend, animierend.
Jorge verlagerte sein Gewicht auf die rechte Gesäßbacke. Der ledergepolsterte Ohrensessel, in dem er hockte, war zwar bequem und trug sein Gewicht ohne Klagen, dennoch ließ ihn seine nervöse Vorfreude den Komfort des Möbelstücks nahezu vergessen.
Jorge war geil wie eine läufige Glophendogge! Es hatte ihn beträchtliche Mühen gekostet, in die inneren Gemächer dieses noblen Ladens in der Nähe des Hafens vorzudringen, und er wollte es so kurz vor der Ziellinie nicht versauen.
Der Ruf, den Madame Niketta in Nophelet genoss, war Legende. »Die Alte saugt dir glatt deine Seele durch den Schlauch raus«, hatte Jorges Vetter Joackim einmal zu ihm gesagt. Eine gewagte Behauptung, gerade aus seinem Mund – immerhin war bekannt, dass eine
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