Der Schädelschrank
das sah und hörte ich nicht. Es gab keine Gegenwehr, und die Geister, die so lange darauf gewartet hatten, fingen damit an, die andere Existenz zu vernichten.
Was sie genau taten, blieb mir verborgen. Außerdem lenkten mich andere Geräusche ab.
Über meinem Kopf erklangen Geräusche, die sich anhörten wie ein hohles Pfeifen. Ich duckte mich leicht, aber ich musste einfach nach oben schauen.
Die Schädel fielen herab!
Sie griffen von allen Seiten an. Es war damit zu rechnen, dass sie sich in das Kampfgetümmel stürzen würden. So sah es auch aus – aber bevor sie noch den Erdboden erreichten, lösten sie sich auf.
Plötzlich glichen sie kleinen Kometen, die ihre Schweife hinter sich herzogen. Es war kein Laut zu hören, als sie den Boden erreichten, denn kurz zuvor hatten sie sich aufgelöst. Sie waren als feinstoffliche Masse in die Geister gefahren und vermengten sich mit ihnen.
Ein heller Blitz blendete mich.
Ich hörte ein Brausen um mich herum. Für einen Moment erwischte mich ein kalter Windstoß, aber ich blieb auf den Beinen, was mir zum Vorteil gereichte, denn so sah ich auch das Ende.
Geister huschten hoch, als wären sie von einem gewaltigen Sturm gepeitscht worden. Es waren helle blasse Streifen. Es ging auch alles so schnell, aber ich sah trotzdem, dass diese Wesen nicht nur ihre Körper besaßen, sondern auch ihre Köpfe.
Normale Köpfe – normale Gesichter. Die meisten von Frauen, einige wenige auch von Männern.
Dann waren sie weg!
Und wenn ich zu ihrem Startplatz schaute, war keine Spur mehr von der Doppelgestalt zu sehen.
Zurückgeblieben war als Erinnerung ein leerer Schrank...
***
Das Geräusch eines startenden Autos riss mich wieder zurück in die Wirklichkeit. Der Van, der nicht weit entfernt geparkt hatte, setzte sich in Bewegung. Wer immer ihn fuhr, er hatte es eilig, denn er raste mit überhöhter Geschwindigkeit davon.
Freie Sicht bedeutete für mich, dass ich meinen Freund Suko sah und auch Phil Young, den Trödler.
Er stand neben Suko und musste von ihm gestützt werden.
Ich steckte mein Kreuz weg, hob die Schultern und breitete die Arme aus. Danach ging ich auf Suko zu, dessen Mund sich zu einem Lächeln verzogen hatte.
»Komplizierte Geschichte«, begrüßte er mich.
»Das kannst du laut sagen. Aber was ist in unserem Leben schon einfach?«
»Stimmt auch wieder. Und wir mussten nicht mal eingreifen.«
»Aber wir waren die Katalysatoren, die Beschleuniger«, erklärte ich.
»Nicht wir, sondern dein Kreuz.«
»Spielt das eine Rolle?«
»Ich denke nicht.«
Mein Blick fiel zu Boden. Es gab keine Spuren mehr. Nur der Schrank stand in der Garage, und der gehörte jetzt einem gewissen Phil Young. Zu ihm gingen wir.
Er saß neben der Eingangstür, schaute ins Leere und schüttelte den Kopf. Wir hörten auch, dass er mit sich selbst sprach, und machten ihm klar, dass er alles überstanden hatte.
»Jetzt können Sie mit dem Schrank machen, was Sie wollen«, erklärte ihm Suko.
Er hob den Kopf und lächelte uns müde an. »Ich besitze ein gutes Beil. Das werde ich holen. Damit gehe ich in die Garage. Ich baue mich vor dem Schrank auf und werde ihn zerhacken. In kleine Stücke hauen. Ich pfeife auf das Geld. Er soll mir gestohlen bleiben, versteht ihr?«
»Ich denke schon«, sagte ich.
»Oder ich verschwinde für immer von hier. Dann muss ich wenigstens nicht immer daran denken, was hier passiert ist und dass ich hinter dem Haus einen Toten begraben habe.«
Ich horchte auf. »Wer ist es?«
Da Phil Young ins Haus ging, gab mir Suko die Antwort. »Es ist Samson, sein Helfer. Aber Phil hat ihn nicht umgebracht. Man hat ihn im Schlaf ermordet.«
»Der Henker«, sagte ich.
»Oder der Inquisitor.«
Ich winkte ab. »Oder der. Vielleicht auch beide. Was macht das schon. Gar nichts...«
ENDE
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